Kassiert das OVG Münster den Bebauungsplan zur Blume?
§ 26 der Gemeindeordnung (GO) von Nordrhein-Westfalen ist dem
Bürgerbegehren und Bürgerentscheid gewidmet.
Zitat: „ Die Bürger können beantragen (Bürgerbegehren),
dass sie an Stelle des Rates über eine Angelegenheit der Gemeinde
selbst entscheiden (Bürgerentscheid). Der Rat kann mit einer Mehrheit
von zwei Dritteln der gesetzlichen Zahl der Mitglieder beschließen,
dass über eine Angelegenheit der Gemeinde
ein Bürgerentscheid stattfindet (Ratsbürgerentscheid).“
Von einem Ratsbürgerentscheid war in den vergangenen Tagen wiederholt die Rede. Der werde angestrebt, um die Meinung der Bürger zu einem „Designer Outlet Center an der Blume“ herauszufinden, hieß es am 30. Juni im Hauptausschuss. Und beim Presseclub in der Denkerschmette sagte die grüne Fraktionssprecherin Beatrice Schlieper am 6. Juni: „Je deutlicher das Votum der Bürger ausfallen wird in dem Ratsbürgerentscheid, den es nach den Sommerferien geben wird, desto weniger werden die Grünen darüber hinweg sehen können!“ Auch die übrigen Ratsfraktionen gehen von einem Ratsbürgerentscheid aus. Das wurde im Presseclub deutlich. Stadtplaner Hans Gerd Sonnenschein hatte dagegen im Hauptausschuss diesen Begriff nicht verwandt, sondern zur Ratssitzung am 14. Juli eine Vorlage angekündigt, in der die Verwaltung auf die Zeitabläufe und die Art der Bürgerbefragung eingehen werde. Das DOC-Projekt erfordere eine Änderung des gültigen Bebauungsplanes.
Inzwischen ist die Vorlage geschrieben, und als Anhang existiert eine Zeittabelle. Darin ist für Oktober eine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen im Zusammenhang mit der beabsichtigten Änderung des Bebauungsplan Nr. 595 (Gewerbegebiet Blume). Bis dahin soll die „Plankonzeption für Öffentlichkeitsbeteiligung (Informationsveranstaltungen)“ erarbeitet sein. - Informationsveranstaltungen“??!! Im Zeitplan ist an keiner Stelle von einem Ratsbürgerentscheid die Rede. Kann wohl auch nicht, denn nach der Gemeindeordnung ist ein Bürgerbegehren bei der Aufstellung, Änderung, Ergänzung und Aufhebung von Bauleitplänen gar nicht zulässig. Die Unzulässigkeit erklärt sich dadurch, dass nach dem Baugesetzbuch im Rahmen der Aufstellung von Bauleitplänen die Öffentlichkeitsbeteiligung ohnehin im Verfahren zwingend vorgeschrieben ist. Und warum sollte das bei einem "Begehren", das von der Politik ausgeht, anders sein? Warum weder die Stadtverwaltung noch die Politik die interessierte Bürgerschaft bisher auf diesem Umstand hingewiesen hat, ist mir völlig unverständlich. War dieser Passus der GO im Rathaus unbekannt?
"Bloß keine Anhörung à la 'Giftliste'!" hatte im Hauptausschuss Fritz Beinersdorf von den Linken gewarnt. Damit meinte er die drei Bürgerforen von März 2010, bei denen Oberbürgermeisterin Beate Wilding drastische Sparmaßnahmen begründet hatte. Die Beteiligung der Bürger/innen an diesen Foren war alles in allem eher schwach ausgefallen. Ähnliche Foren in den Stadtteilen sind nun offenbar wieder für Oktober geplant. Und das Echo? Ähnlich schwach? „Die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit wird wegen der besonderen Bedeutung dieser Planung auf das gesamte Stadtgebiet ausgedehnt. Sie erfolgt durch Planaushang im Zentraldienst Stadtentwicklung und Wirtschaft sowie durch Informationsveranstaltungen in den einzelnen Stadtbezirken“, heißt es in der Vorlage zur Ratssitzung, durch die das Bauleitverfahren eingeleitet werden soll. Ziel dieser Bauleitplanung ist „die Errichtung eines Designer Outlet Centers mit einer Verkaufsfläche von ca. 20.000 Quadratmetern und den dazugehörigen Stellplätzen“.
Gemäß § 11 Abs. 3 BauNVO sind großflächige Einzelhandelsbetriebe wie das geplante Designer Outlet Center nur in Kerngebieten und für sie festgesetzten Sondergebieten zulässig. Die Verwaltung: „Die genannten planungsrechtlichen Bindungen stehen somit dem geplanten Vorhaben entgegen.“ Deshalb muss ein neuer Bebauungsplanes (Nr. 642) her. Die Vorlage erläutert das genauer: „Der Regionalplan für den Regierungsbezirk Düsseldorf (GEP 99) stellt Bereich für gewerbliche und industrielle Nutzungen und an der südlichen Grenze des Plangebietes Allgemeinen Freiraum- und Agrarbereich dar. Im wirksamen Flächennutzungsplan der Stadt Remscheid ist daran angepasst gewerbliche Baufläche, Grünfläche und Fläche für die Landwirtschaft sowie für die Lage des Buscher Hofes Dorfgebiet dargestellt. Für eine Teilfläche des Plangebietes entwickelt der rechtverbindliche Bebauungsplan Nr. 595 hieraus die Festsetzung von Gewerbegebiet sowie der notwendigen Erschließungsflächen, einer privaten Grünfläche und Fläche für die Landwirtschaft.“
Egal, ob “allgemeinen Siedlungsgebiet“ (nach neuem Bebauungsplan) oder Gewerbegebiet (nach dem alten) – die Tage der „Blume“ als „grüne Wiese“ seien gezählt, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Hans Peter Meinecke im Presseclub. In der Verwaltungsvorlage liest sich das etwas anders: „Der (alte/Anm.) Bebauungsplan Nr. 595 befindet sich zurzeit im Normenkontrollverfahren. Laut Auskunft der die Stadt Remscheid vertretenden Anwaltskanzlei ist mit dem Bestand des Bebauungsplanes nicht zu rechnen. Das Urteil des OVG Münster wird Ende Juli/Anfang August 2011 erwartet.“ Mit anderen Worten: Nachdem das Oberverwaltungsgericht vor einiger Zeit bereits die Entwicklungssatzung zur „Blume“ kassiert hat, könnte bald auch der Bebauungsplan unwirksam werden. Für Gewerbeansiedlungen an der Blume bestünde dann kein Planungsrecht mehr. Auch unter diesem Aspekt kommen Rat und Verwaltung die Pläne der Londoner MCArthurGlenGroup sehr gelegen. Denn ohne DOC stünde die Stadt nach zwölf Jahren und 1,5 Millionen Euro Planungskosten wieder ganz am Anfang - vor einer "grünen Wiese". Peter Maar, der Vorsitzende des Heimatbundes Lüttringhausen, wurde das sicherlich anders ausdrücken: Die Stadt stünde vor dem absoluten Nichts!
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