"Beklebte Schaufenster, Farbe und Autos helfen nicht!"
Als einziges Ratmitglied nahm gestern Abend Fritz Beinersdorf, Fraktionsvorsitzender der Linken, ausführlich zum DOC-Projekt und der geplanten Bürgerbefragung Stellung. In beiden Fällen als Kritiker. Die Befürworter sagten zu beiden Beschlüssen so gut wie nichts. Der Waterbölles dokumentiert nachfolgend die Rede von Beinersdorf leicht gekürzt.
„THC – LSD – DOC – alles Rauschmittel. Ja, seit es eine Absichtserklärung von Grundstückseigentümern an der Blume gibt, ihre Grundstücke an McArthur Glen zu veräußern, der dort ein Designer Outlet Center errichten möchte, ist der größte Teil der Remscheider Politik wie in einem Rausch. Wir haben diese rauschhaften Zustände schon einige Male erlebt. Beim Gewerbegebiet Blume, beim ‚Schaufenster’ der Wirtschaft, beim Zusammenschluss der bergischen Stadtwerke. Am Ende stand immer ein Kater, und es wurden Millionen Euro ausgegeben für nichts.
Auch heute ist wieder davon auszugehen, dass in einer rauschhaften Entscheidung der Mehrheit dieses Hauses die Beschlussvorlage für ein DOC an der Blume durchgewunken wird. Vorbehalte und Hinweise auf die Gesetzeslage auf mögliche Auswirkungen in der Innenstadt auf unnötigen Bodenverbrauch werden negiert und zur Seite gefegt. Dieser DOC-Rausch steigert sich manchmal zu einem Wahn. Die CDU hat von Minister Voigtsberger in diesen Tagen den Eingang eines Schreibens bestätigt bekommen. Das reicht den Damen und Herren der Union, dies zu einem Erfolg ihrer Bemühungen hoch zu stilisieren. Wahnsinn!
Im Mittelpunkt der Propaganda für ein DOC steht die Behauptung, dass das DOC 500 bis 600 Arbeitsplätze hervorbringen würde. Schauen wir uns diese Behauptung einmal näher an: Was sind das für Arbeitsplätze, und wo rühren sie her? Dass es sich bei der übergroßen Mehrzahl der Arbeitsplätze um Angebote für Teilzeitkräfte um 400-Euro-Jobs handelt, kann man leicht nachprüfen, indem man die Jobangebote auf den Websites von McArthurGlen analysiert. Warum sollten sich die Arbeitsplatzangebote in einem Outlet-Center auch von den Arbeitsplatzangeboten im übrigen Einzelhandel unterscheiden? Aber werden diese Arbeitsplätze neu geschaffen? Und wo kommen sie her? Untersuchen wir das:
Wir wissen, dass jeder Euro nur einmal ausgegeben werden kann, wir wissen, dass die Kaufkraft in unserer Region begrenzt ist, und wir wissen auch, dass diese Kaufkraft auf Grund des demografischen Wandels und des Bevölkerungsschwundes abnehmen wird. Mit seinem Angebot wird das DOC Kaufkraft aus Remscheids Innenstadt und aus den Nachbarstädten abziehen und in einem erheblichen Umfang binden. Wer aufmerksam die Entwicklung im Remscheider Textileinzelhandels verfolgt hat (ich brauche hier sicher nicht die Namen der bekannten Unternehmen, die nicht mehr im Stadtzentrum vertreten sind, zu erwähnen), der wird sich vorstellen können, wie der verbliebene Einzelhandel von einem DOC betroffen sein würde. Der Gewinn an Arbeitsplätzen durch das DOC würde also aus dem Verlust an Arbeitsplätzen im Stadtzentrum Remscheids und im Verlust von Arbeitsplätzen in den umliegenden Städten herrühren. Nichts ist gewonnen, aber Investitionen des heimischen Einzelhandels wären verloren, der Bedeutungsverlust der Innenstädte würde einen Megaschub bekommen.
Sehen wir es so, wie es ist, Remscheids Innenstadt ist verödet. Die Innenstadtbereiche in Wuppertal, Solingen und den anderen kleineren und größeren Städten im Umkreis von 50 bis 60 Kilometern sind ebenso einem Verödungsprozess unterworfen. Dieser Zustand wird nicht geheilt durch freundlich beklebte Schaufensterscheiben von leerstehenden Kaufhäusern. Dieser Zustand wird nicht geheilt durch den Einsatz von Farbe. Dieser Zustand wird auch nicht geheilt, wenn Autos durch diese Ödnis fahren dürfen. Aber dieser Zustand wird extrem verschlimmert, wenn wir ein DOC auf der grünen Wiese schaffen.
Weil die Situation so ist, diese Entwicklung schon lange erfahrbar war, hat die CDU-geführte Landesregierung unter Jürgen Rüttgers schon 2007 den § 24 a (Großflächiger Einzelhandelsbetrieb) in das Gesetz zur Landesentwicklung eingefügt. Es war ein richtiger Schritt. Wenn die Damen und Herren der Union sich die Mühe machen würden und sich noch einmal die umfängliche Willensbildung zu dieser Gesetzgebung anschauen würden, würden sie möglicherweise heute anders agieren. Nach §24 a, nach den gesetzlichen Regelungen der Baunutzungsverordnung, dürfen großflächige Einzelhandelsbetriebe und andere großflächige Handelsbetriebe nur in zentralen Versorgungsbereichen ausgewiesen werden. Sie dürfen weder die Funktionsfähigkeit zentraler Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in benachbarten Gemeinden noch die wohnungsnahe Versorgung der Bevölkerung in ihrem Einzugsbereich beeinträchtigen.
Bei dem notwendigen Planverfahren zur Ansiedlung des Outlet-Centers auf dem Gebiet der Blume ist es Erforderlich, auch die von den Auswirkungen betroffenen Gemeinden zu beteiligen. Die Regionalräte des Regierungsbezirks Köln und auch die des Regierungsbezirks Arnsberg müssen beteiligt werden. Bisher haben sich die Städte Solingen, Hagen und der Ennepe-Ruhr- Kreis gegen ein DOC in Remscheid ausgesprochen. Wenn durch die heute zu erwartenden Beschlüsse die Angelegenheit DOC endgültig akut wird, wird es umfassenden Widerspruch geben.
Es existiert ein Integriertes Stadtentwicklungskonzept für Remscheid, es besteht eine Konzeption für die Entwicklung des regionalen Einzelhandels. Dort wird mit keinem Wort erwähnt, dass wir großflächigen Einzelhandel wie das DOC benötigen würden. Aber dies wird einfach negiert. Ich habe den Eindruck, dass sich die Bauverwaltung und einige Parteien hier profilieren möchten. Es sind die gleichen Kräfte, die bei den von mir eingangs benannten Flops der Stadtentwicklung entscheidend mitgewirkt haben. Das sollten sich die Bürger immer vor Augen halten.
Ich möchte hier nicht die Wechselwirkung von Leerstand in der Innenstadt bei Wohnen, Handel und Gewerbe und der Neuansiedlung von Handel, Gewerbe und Wohngebieten untersuchen, das würde den Rahmen der heutigen Ratssitzung sprengen. Ich möchte aber anregen, eine breite Diskussion über einen Masterplan für Remscheid zu initiieren. Das vorhandene INSEK ist nach meiner Meinung im Wesentlichen eine Ansammlung von Formelkompromissen. Dieser Masterplan sollte eine ehrliche Bestandsaufnahme enthalten und von dort aus alles Weitere für RS entwickeln.
Ich gehe nun auf die Begründung für den Bebauungsplan 642 ein. Wir lesen dort im vorletzten Absatz: Die Stadt Remscheid beteiligt sich an den Planungs- und Gutachterkosten. Die Höhe dieser Kosten wird noch ermittelt ... – Hier hätte ich einen Aufschrei der Empörung von den Sparpäpsten dieses Rates erwartet. Machen wir Fifty-fifty bei den Kosten, oder zahlen wir zehn Prozent oder wie oder was? Einer Beschlussvorlage, in der die Kostenfrage so nebensächlich behandelt wird, kann kein verantwortungsbewusster Kommunalpolitiker zustimmen. Unter diesem Gesichtspunkt ist es übrigens äußerst fragwürdig, eine Bürgerbefragung durchzuführen; die Kosten müssen vorher bekannt sein! Als Planungsgrundlage sind zunächst folgende Gutachten erforderlich:
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Studie zu den Auswirkungen und zur Verträglichkeit des Einzelhandelsvorhabens
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Verkehrsstudie mit der Darstellung der möglichen Immissionskonflikte.
Direkt zu 2. Da bin ich aber wirklich gespannt. Wer die B 51 an der Blume vorbei befährt, der kennt die Probleme, die in Spitzenzeiten dort auftreten. Wie soll das erst funktionieren, wenn X-Tausende zusätzlicher Fahrzeuge auf das Gebiet Blume fahren möchten, und das als Linksabbieger? (…)
Lassen Sie mich zum Abschluss einige Worte zur Bürgerbeteiligung sagen. DIE LINKE ist für alle basisdemokratischen Beteiligungen der Bürger. Eine wahrhaftige und nachhaltige Beteiligung ist aber erst dann möglich, wenn der Bürger alle Informationen für oder gegen dieses DOC besitzt. Der Bürger hat auch ein Anrecht darauf, die Kostenseite eines Verfahrens zu erfahren. DIE LINKE hätte gerne eine Einwohnerbefragung durchgeführt, weil hier auch alle in unserer Stadt lebenden ausländischen Mitbürger in eine Entscheidung eingebunden worden wären. DIE LINKE hätte diese Befragung zu einem Zeitpunkt stattfinden lassen, an dem Planungssicherheit besteht und alle entscheidungsrelevanten Informationen vorliegen würden. DIE LINKE hätte gerne Rechtssicherheit. Die wäre gegeben, wenn die Bezirksregierung Düsseldorf ähnlich wie die Bezirksregierung in Köln die Einwohner oder Bürgerbefragung mit einem juristischen Gutachten unterfüttern würde. Und DIE LINKE hätte auch bei der Bürgerbefragung gerne die Kostenseite transparent gestaltet gesehen. Geht es doch hier um einen Betrag, der keine Lappalie darstellt, und mit Sicherheit der Zustimmung der Bezirksregierung bedarf. (…)
Kommentare
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Beate Bürger am :
Michael Dickel am :
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Lothar Kaiser am :
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Hans Schwingen am :
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