Citykirche: Neues Glockenspiel hat morgen Premiere
Ob Kantorin Ruth Forsbach Lampenfieber hat? Noch dürfte es dafür zu früh sein. Aber am morgigen Sonntag gegen 11.15 Uhr wird es dann ernst – dann wird sie in der evangelischen Kirche am Vaßbenderplatz am elektronischen Keyboard sitzen, um zum Auftakt des traditionellen „I26. Ideellen Weihnachtsmarktes“ über kleine Magnethämmer die 19 neuen Glocken (die schwerste wiegt 90 Kilogramm) zum Klingen zu bringen – eine Premiere. Die digitale Steuerungstechnik mit Lichtleiterkabeln ermöglicht es, die Glocken im Millisekundenbereich hart und weich anzuschlagen - eine Weltneuheit. Die Glocken, die Pfarrer Martin Rogalla zusammen mit einigen aktiven Gemeindegliedern am 1. Dezember freudig in Empfang nehmen konnte, bilden zusammen mit drei älteren das neue, prächtige Glockenspiel der „City-Kirche“, das ohne zahlreiche Spender und Sponsoren nicht zu verwirklichen gewesen wäre: Von den Kosten in Höhe von 60.000 Euro brauchte die evangelische Stadtkirchengemeinde auf diese Weise nur 6.000 Euro zu übernehmen.
Der Wunsch einiger Gemeindemitglieder, ein Glockenspiel in der Haube der Evangelischen Stadtkirche am Markt zu installieren, ist fast sieben Jahre alt. Damals war es ein Wunschtraum vom Glockenfachmann und Presbyter Axel Engel und Ruth Forsbach. Allerdings sah sich die Gemeindeleitung aus finanziellen Gründen nicht in der Lage, ein solches Projekt zu realisieren.
Im Sommer 2001 verstarb Axel Engel im Alter von 33 Jahren plötzlich nach kurzer Krankheit. Gleichwohl beschloss das Presbyterium in seiner Sitzung am 10. Mai 2005, ein aus 24 Bronzeglocken bestehendes Glockenspiel anzuschaffen, durch der „Alte Markt“ im Zentrum Remscheids attraktiver gestalten und das kirchenmusikalische Angebot der Citykirche erweitern werden soll. Grund genug für Oberbürgermeisterin Beate Wilding, die Schirmherrschaft zu übernehmen. Im Juni dieses Jahres wurde das Gesamtprojekt mit dem „Fundraising-Preis“ der Evangelischen Kirche im Rheinland ausgezeichnet.
Erstmals ist die Existenz von Glocken an der Remscheider Pfarrkirche durch die Nennung einer „Glöcknerin“ im Jahre 1312 in einem Verzeichnis des Stiftes Gerresheim nachweisbar. Genauere Kenntnis über die Glocken der Stadtkirche gibt es aber erst ab der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts: Pfarrer Wilhelm Georg Schragmüller berichtete im Kirchenbuch, dass am 10. September 1727 zwei Glocken durch den reformierten Glockengießer Philipp Schweitzer aus Frankfurt im Dorf gegossen worden seien, die man drei Tage später in den Turm der damals neuen Kirche aufzog. Der nächsten Glockenguss ist aus dem Jahre 1764 überliefert.
Im Jahre 1804 nahm G. B. Rincker einen Umguss vor. Ergebnis war eine 1.800 kg schwere Glocke mit dem Schlagton „e". Den Umguss der dritten Voigt'schen Glocke führte P. Boitel im Jahre 1816 durch. Diese kleinste Glocke des alten Geläuts wog 850 kg und hatte den Schlagton „dis“. Der Glockengießer Peter Boitel kam aus Mond in Lothringen. Er schuf an Ort und Stelle noch zwei weitere, kleine Glocken, wovon die größere als Uhrglocke gedacht war. Über den Verbleib dieser Glocken ist nichts bekannt. Der Glockenstuhl der Kirche wurde mehrfach umgestaltet, so auch im Jahre 1912, als man ein modernes, elektrisches Läutwerk einrichtete.
Die Reichskriegsverordnung vom l. März 1917 sah die Beschlagnahme bronzener Glocken vor. Ausgenommen sein sollten nur historische und künstlerisch wertvolle Glocken. Das Gutachten, das die Glocken damals rettende, Museumsdirektor Rudolf Roth aus Burg an der Wupper.
Am 14. Oktober 1914 bekam die mittlere, 1804 umgegossene Glocke während des Geläuts einen starken Sprung. Die Glockengießerei M. & O. Ohlsson in Lübeck konnte den Schaden durch autogene Schweißung so beheben, dass die Klangfülle nicht beeinträchtigt blieb. Die beiden jüngeren Glocken von 1804 und 1816 mussten im 2. Weltkrieg zur Beschaffung von Kriegsmaterial eingeschmolzen werden. Die ebenfalls abgegebene, älteste und wertvollste Glocke von 1764 konnte jedoch wieder nach Remscheid zurückkehren. Zusammen mit zwei von der Glockengussanstalt Rincker im Jahre 1955 gegossenen Bronzeglocken fand sie den Weg zurück in den Turm der wieder aufgebauten Stadtkirche.
Premiere hat zusammen mit dem Glockenspiel morgen auch ein von Musikschulleiter Thomas Holland-Moritz komponiertes Musikstück, „Carillon cité" betitelt. Zweimal pro Tag soll von nun das Glockenspiel erklingen, hin und wieder auch in Konzerten – erstmals am Heiligabend ab 11 Uhr. Dann werden Weihnachtslieder zu hören sein.
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