Sanierung der Brücke für 30 Millionen beginnt im Sommer
„Brückensanierung im Etat, aber auf fünf Jahre angelegt“, titelte der Waterbölles am 27. Mai 2010, nach einem entsprechenden Brief von Dr. Rüdiger Grube, Vorstandsvorsitzender der Bahn AG, an Sylvia Löhrmann, damals Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag NRW. Doch danach gingen die Spekulationen weiter. Sogar vom Bau einer neuen Brücke war die Rede. „Die Pläne zum Ersatzbau aus Beton müssen vom Tisch“, waren sich die bergischen Abgeordneten im Landtag NRW - Sven Wolf, Iris Preuß-Buchholz und Josef Neumann - einig. Gemeinsam mit Kommunalpolitikern der Grünen und Vertretern des VCD (Verkehrsclub Deutschland) wollten sie am 22. September am Rande einer Sitzung des Verkehrsausschusses des Landtags dem Konzernbevollmächtigten der Deutsche Bahn AG für die Region West und das Land NRW, Reiner Latsch, mehr als 1.000 Postkarten zur Weiterleitung an Bahnchef Grube übergeben. Aufschrift: „Herr Grube, wir brauchen die Müngstener Brücke. Erfüllen Sie Ihr Versprechen. Sanieren Sie die Brücke! Wir wollen endlich Klarheit.“ Doch Latsch nahm die Postkarten damals nicht an („Keine Überfall-Aktion!“). Heute morgen um 9 Uhr konnte und wollte er nicht mehr anders, als Sven Wolf (SPD), Jutta Velte (Fraktionsgeschäftsführerin der Remscheider Grünen) und Helmut Ruppert vom VCD-Regionalverband Bergisches Land im Restaurant „Haus Müngsten“ vor ihm standen. Denn inzwischen hatte die Bahn von Ingenieurbüros und Gutachtern einen Zwischenbericht erhalten, der für die denkmalgeschützte Müngstener Brücke, die mit 107 Metern höchste deutsche Eisenbahnbrücke, eine langfristige Nutzungsperspektive aufzeigt. Jedenfalls für Schienenpersonennahverkehr (SPNV), nicht jedoch für den Güterverkehr.
Auf Einladung der Städte Solingen und Remscheid, vertreten durch Oberbürgermeisterin Beate Wilding und Oberbürgermeister Norbert Feith, informierten unter der Müngstener Brücke Reiner Latsch und Jörg Bistritz von der DB Netz AG über den inzwischen beschlossenen Sanierungsplan in der Größenordnung von 30 Millionen Euro. „Die bisher vorliegenden statischen Berechnungen zur Tragfähigkeit und Restnutzungsdauer der Fahrbahn- und Gerüstbrücke sowie der Lager des Bauwerkes belegen, dass eine Sanierung technisch machbar ist“, stand in der schriftlichen Pressemitteilung, die anschließend verteilt wurde. Die Berechnungen der vom Eisenbahn-Bundesamt zugelassenen Prüfer füllen inzwischen rund 3.400 Seiten. Und weitere werden hinzukommen. Denn noch stehen die Berechnungen der Bogenkonstruktion sowie der Pfeiler einschließlich der Fundamente aus; sie sollen bis April folgen. Latsch: „Die Wahrscheinlichkeit, dass uns die noch ausstehenden Prüfungen von unserem Konzept abbringen, ist gering!“ Den abschließenden Prüfbericht erhält das Eisenbahn-Bundesamt zur Überprüfung der Plausibilität. Danach wird die Bahn den endgültigen Sanierungsplan erstellen und die Öffentlichkeit informieren.
Zur geplanten Sanierung der Müngstener Brücke gehört nach Angaben von Bistritz der Austausch und die Verstärkung einzelner Bauteile. Dazu zählen beispielweise die komplette Erneuerung aller 28 Brückenlager, der Austausch der 248, insgesamt 600 Tonnen schweren Längsträger (im Brückenkopf unter den Gleisen), die teilweise Verstärkung der Gerüstbrücke sowie ein umfangreicher Korrosionsschutz (75.000 Quadratmeter).
Die Ausschreibung der Sanierungsarbeiten ist angelaufen. Bis zum Sommer soll das öffentliche Vergabeverfahren abgeschlossen sein. Sobald die Arbeiten beginnen, werden Bauzäune im Brückenpark unvermeidbar sein; eine vollständige Schließung des Parks ist jedoch nicht vorgesehen. Die Bahn hat für die Jahre 2012 bis 2014 Zeitfenster für Brückenarbeiten im Fahrplan berücksichtigt. In diesem Jahr ist eine Vollsperrung der Bahnstrecke zwischen Remscheid und Solingen in der Zeit vom 7. Juli bis 24. August (Sommerferien) und 6. bis 22. Oktober (Herbstferien) vorgesehen, für die Sommer 2013 und 2014 ebenfalls. Konzepte für die Schienenersatzverkehre in den Sperrzeiten werden demnächst erarbeitet. Dafür könnten sich die heimischen Stadtwerke natürlich gerne bewerben, meinte Reiner Latsch auf eine entsprechende Bemerkung von Oberbürgermeisterin Wilding. Ob die Pendler bei einer längeren Fahrzeit nach Düsseldorf von 30 Minuten mit einer Entschädigung rechnen könnten, wollte Helmut Ruppert wissen. Antwort von Rolf Rüssmann vom Verkehrsverbund Rhein-Ruhr: „Da muss ich Sie leider enttäuschen!“
Enttäuscht wurden gestern auch die Remscheider Unternehmen, die ihre Rohstoffe und/oder Erzeugnisse per Güterwaggons erhalten bzw. verschicken. Sie hatten darauf gehofft, dass die Müngstener Brücke auch wieder für schwere Güterzüge freigegeben werden könne. Doch daraus wird nichts. Jörg Bistritz: „Eine Achslast von 18 Tonnen können wir garantieren. Mehr aber nicht. Sonst müssten wir komplett neu bauen!“ Sicherstellen will die Bahn AG, dass ab dem nächsten Jahr auch die (gegenüber dem „Müngstener“ schwereren) Triebwagen von Abellio die Brücke passieren können, und das auch im Gegenverkehr und mit 80 Stundenkilometern (bisher 70). Güterzüge werden aber auch weiterhin nur über Ronsdorf zwischen Wuppertal und Remscheid fahren können. Latsch: „Einen Preisnachlass können wir den Unternehmen leider nicht einräumen!“ Die gute Nachricht in diesem Zusammenhang: In den nächsten fünf Jahren will die Bahn die seit Jahren gesperrte Tunnelröhre zwischen Oberbarmen und Rauental sanieren, so dass dort dann wieder zweigleisig gefahren werden kann.
„Das wäre schon erstrebenswert“, antwortete Jörg Bistritz auf die Frage von Helmut Ruppert, ob denn zumindest während des jährlichen Brückenfestes schwerere Dampfloks im Schritt-Tempo über die Brücke fahren dürften. Aber: „Das wissen wir noch nicht; das muss erst noch geprüft werden!“ Die bisherigen Untersuchungen hatten zwar ergeben, dass von einer Last von 100 Tonnen auf den Gleisen am Fuße der Brücke, an den Widerlagern, „kaum noch etwas ankommt“. Aber dafür sei die Materialermüdung in den Längsträgern unter den Gleisen umso deutlicher. Bistritz: „Das ist wie bei einem Draht, denn man lange genug hin und her gebogen hat.“ Mit anderen Worten: Für die Längsträger können die Gutachter keine Restnutzungsdauer von 30 Jahren mehr garantieren.
Die Sanierung der Müngstener Brücke soll im Einklang mit den Anforderungen des Denkmalschutzes erfolgen. Reiner Latsch: „Die Planungen werden mit den Denkmalschutzbehörden Solingen und Remscheid abgestimmt. Es wird einige kleine technische Veränderungen an der Brücke geben, über die wir mit den Denkmalschützern werden reden müssen.“ So sollen die bisherigen Nieten an den Längsträgern durch Schrauben ersetzt werden. Und an den Brückengeländern ist eine Suizid-Prävention vorgesehen. Bistritz: „Ein Fangnetz verändert natürlich die Optik!“ Nun wird es darauf ankommen, nicht durch technische Veränderungen den Denkmalschutz und damit den Antrag zum Weltkulturerbe zu gefährden, den die DB bekanntlich mittlerweile unterstützt.
Als sich vor gut einem Jahr in „Haus Müngsten“ Kommunalpolitiker der bergischen Großstädte mit Vertretern der Bahn AG getroffen hatten, beschwerten sie sich über deren unzureichende Informationspolitik und zeigten sich verunsichert über Gerüchte, die Bahn plane einen kompletten Neubau der Brücke. Solingens Oberbürgermeister Norbert Feith heute Vormittag: „Gut, dass die Bahn AG jetzt zur Müngstener Brücke steht – und zu keiner anderen!“
Kommentare
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Jürgen Hardt (MdB) am :