Schon bald zog das Häuflein ewig Gestriger "bedröppelt" ab
Der am Theater gestartete Sternmarsch der Gegendemonstranten auf der Freiheitstraße am Amtsgericht. Ein Klick auf das Foto, und Sie sehen es in voller Größe.
Die … angemeldeten Demonstrationen und Kundgebungen verliefen störungsfrei und friedlich. An der Demonstration von Pro NRW nahmen etwa 120 Personen teil. Dem stellte sich das breite bürgerliche Bündnis "Remscheid Tolerant" mit ca. 2.000 Teilnehmern entgegen. Noch mehrere Stunden wird die Stadt Remscheid das Fest der Nationen feiern.“ – Beinahe dürftig fiel die Pressemitteilung aus, die die Polizei Wuppertal gestern um 13:57 Uhr im Internet veröffentlichte. Die Überschrift dazu hätte „Viel Lärm um nichts“ lauten können – aus der Sicht der Polizei, versteht sich. Denn fünf, sechs Anhängern von Pro NRW, die an der Bismarckstraße am Morgen auf auswärtige Gesinnungsgenossen warteten, stand ein Großaufgebot an (Bereitschafts-)Polizei gegenüber. Es wimmelte geradezu in der gesamten Innenstadt an grünen und blauen Mannschafts- und Streifenwagen, die Kradfahrer nicht zu vergessen. Insgesamt sollen mehrere hundert Uniformierte im Einsatz gewesen sein.
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Als die erwarteten auswärtigen Demonstranten (darunter rechtsradikale Belgier, wie es hieß) zwei Omnibussen entstiegen waren und ihre Transparente entrollt hatten, war die kleine Truppe schnell durchgezählt, als sie unter dem „Südsteg“ am Hauptbahnhof Richtung Weststraße marschierte. Es waren insgesamt nicht 120 Demonstranten, wie von der Polizei geschätzt, sondern gerade mal 95. Zum Vergleich: An den beiden Sternmärschen des Bündnisses „Remscheid tolerant“ nahmen rund 700 Bürgerinnen und Bürger teil. Und beim späteren „Fest der Nationen“ schätzten die Veranstalter später die Zahl der Besucher von 2.500 bis 3.000. Für die Parolen, die Pro NRW per Lautsprecherwagen verbreitete, interessierten sie sich nicht. Wohl aber für die Musikgruppen auf der Bühne Ecke West- und Stachelhauser Straße, wo Horst Kläuser zwischendurch immer mal wieder Prominente interviewte, darunter Sandra Minnert. Die ehemalige Nationalspielerin der Deutschen Frauen Fußball Nationalmannschaft und Weltfußballlerin des Jahres 2005 ist Schirmherrin der Respekt-Initiative (www.respekt.tv). Die Initiative setzt sich über den Sportbereich hinaus für gegenseitigen Respekt und gegen Rassismus ein (kleines Foto unten).
Von Himmet Ertürk als Projektbeauftragtem der Türkisch-Islamischen Union (DITIB) ließ sich Kläuser erläutern, wie die Moschee aussehen soll, die auf dem Grundstück Stachelhauser Straße 41 entstehen soll (der Bauantrag liegt inzwischen im Rathaus vor). Und der evangelische Superintendent Hartmut Demski und der katholische Stadtdechant Thomas Kaster nutzten die Gelegenheit gerne, um noch einmal – und in aller Deutlichkeit – zu betonen, dass sie den Bau des muslimischen Gebetshauses sehr begrüßen.
Zum unteren Fotoblock: Quirliges Leben auf der Weststraße (Foto oben) und Schmährufe gegen die Demonstranten von Pro NRW (Foto unten). Dazwischen die kleinen Fotos: Hammel am Spieß, Polizeifahrzeuge am Hauptbahnhof, Sandra Minnert im Interview und Polizeireiter in Wartestellung auf dem Baufeld 6 zwischen Weststraße und Bahnhof.
Am 22. Oktober hatte die Nachricht im Waterbölles gestanden: Die DITIB plant ein „Gebets- und Begegnungszentrum für drei Millionen Euro“. Es dauerte nicht lange, da begann Pro NRW damit, im Internet gegen das Projekt zu hetzen. Auf 100 Straßenplakaten polemisierte die Gruppe Rechtsgerichteter gegen den Moschau-Bau und kündigte „weitere aufsehenerregende Aktionen in Remscheid“ an. (Heiße Luft, wie man seit gestern weiß. Und das ist gut so.)
Remscheids Antwort auf die Drohgebärden der Rechten war am 24. Januar die Gründung des Aktionsbündnisses „Remscheid Tolerant“. Aktionsbündnis macht mobil gegen ‚auswärtige Aktivisten’“, titelte der Waterbölles am 31. Januar. Kommunalpolitiker, Vertreter der evangelischen und katholischen Kirchen, der Wohlfahrtsverbände, der Gewerkschaften, von Migrantenorganisationen und zahlreicher Vereinen sowie Einzelpersonen hatten die Gründungserklärung für das Bündnis erarbeitet, das Anhängern der rechten Gruppierung ProNRW bedeuten soll: Ihr seid in Remscheid nicht erwünscht! Am 7. Februar präsentierten sich die Akteure des neuen Bündnisses gegen Rechts im Großen Sitzungssaal der Rathauses der Presse. Dabei betonte Oberbürgermeisterin Beate Wilding, wer nach Remscheid kommen wolle, um das gute Miteinander der verschiedenen Kulturen zu unterminieren, dem solle bunt, fröhlich und friedlich, aber auch entschieden klar gemacht werden, er könne am besten gleich wieder kehrtmachen. Diese Stadt stehe seit Jahrhunderten für Weltoffenheit und Toleranz - „und das lassen wir uns nicht von außen kaputt machen!“ Die Botschaft: „Remscheid zeigt Rechtsextremen die kalte Schulter“.
Kalte Schulter? Schon während der beiden Sternmärsche zur Weststraße (vom Teo Otto Theater aus über Hoch-, Allee- und Freiheitstraße und - nach dem Gottesdienst, in dem gelbe Bänder mit der Aufschrift „Suchet der Stadt Bestes“ verteilt wurden - von der ev. Stadtkirche am Markt aus über die Stachelhauser Straße) waren Rufe „Nazis raus“ und Trillerpfeifen zu hören. Und emotionslos blieb es erst recht nicht, als sich dann gegen 11.30 Uhr auf der Weststraße die Demonstranten von „Pro NRW“, die von der Unterführung aus über die Presov-Straße marschiert waren, und die Gegendemonstranten der drei Bündnisse gegenüberstanden, dicht vor dem Absperrgittern der Bereitschaftspolizei junge Türken, die die Pro NRW-Anhänger zuvor bereits am Hauptbahnhof hatten in Empfang nehmen wollen. Doch diese unangemeldete Gegendemonstration hatte sich nach ruhigem Zureden durch die Polizei schon nach kurzer Zeit wieder aufgelöst.
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Dem Bündnis „Remscheid tolerant“ gehören inzwischen mehr als 150 Vereine, Organisationen, Kirchen, Gewerkschaften, 25 Firmen und mehr als 250 Einzelpersonen an. Neben Aufklebern, Postkarten, Buttons, Fahnen und Plakaten in unterschiedlichen Größen wurde unter www.remscheid-tolerant.de auch eine eigene Internetpräsenz realisiert. Und in den Tagen vor dem gestrigen „Fest der Nationen“ wurden rund 20.000 Infozettel verteilt. Da hätte man eigentlich annehmen können, dass sich als die gezählten 700 Bürger/innen an den beiden Sternmärschen beteiligt hätten. Zumal im Vorfeld Vorfeld der gestrigen Aktionen die Bürgerbündnisse "REMSCHEID TOLERANT" (Remscheid), "BUNT STATT BRAUN" (Solingen) und "NETZWERK FÜR DEMOKRATIE UND TOLERANZ" (Wuppertal) gemeinsam dazu aufgerufen hatten, der Doppelkundgebung der Rechtspopulisten in Solingen und Remscheid entgegenzutreten: „Rechtsextreme Gruppen haben im Bergischen Land keinen Platz! Wir wollen es nicht zulassen, dass gegen Andersdenkende und –gläubige mit Parolen gehetzt wird, die Muslime pauschal als salafistische Hassprediger diskriminieren und das Schreckgespenst einer Islamisierung mit „orientalischen Großmoscheen“ und „Muezzin-Rufen“ an die Wand malen. Wir wollen in einem toleranten und weltoffenen Land leben!”
Bereits am 23. Februar hatte Oberbürgermeisterin Beate Wilding Oberbürgermeisterin Beate Wilding vor Beginn der damaligen Ratssitzung betont, Remscheid stehe „für ein tolerantes, für ein weltoffenes und für ein modernes Remscheid. Wir treten gemeinsam dafür ein, dass Remscheid die Heimat für alle Menschen ist, die hier friedlich miteinander leben wollen. Wir setzen ein Zeichen der Vielfalt in einer Stadt, in der Menschen aus mehr als 120 Nationen zusammenleben. Wir setzen damit zugleich ein Signal gegen Ausgrenzung, Intoleranz und Hass. Gegenwärtig versuchen verschiedene Gruppierungen von außen diesen Ungeist in unserer Stadt zu säen. Ihre Saat wird nicht aufgehen. Sie wird keine Früchte tragen. Diese Gruppen werden erfolglos bleiben, weil unsere Solidarität stärker ist!“ (In eben dieser Ratssitzung war dann die Resolution gegen gegen Neonazismus und Rechtsextremismus beschlossen worden.)
Daran knüpfte Beate Wilding gestern an, als sie auf der Bühne an der Weststraße das „Fest der Nationen“ eröffnete, während sie hundert Meter weiter, an den Bahnschranken an der Papenberger Straße, das Häuflein der Rechten mit ihren Transparenten in Position brachte, empfangen von lauten Schmährufen. „Remscheid bekennt heute Farbe. So bunt ist unsere Stadt! Wir zeigen heute eindrucksvoll, dass Achtung vor anderen, Toleranz und Solidarität bei uns fest verankert sind“, freute sich die OB. Gegenüber dem Waterbölles betonte sie später, auch in Remscheid gebe es leider „Menschen, die jemandem keinen Job oder keine Wohnung geben, weil er einen fremdländisch klingenden Namen hat; auch bei uns gibt es Menschen, die jemanden nicht in die Disco lassen oder im Bus nicht neben ihm sitzen wollen, weil er fremdländisch aussieht. Oder die den Glauben anderer nicht respektieren, weil er ihnen fremd erscheint. Sie lehnen einen Menschen ab, von dem sie eigentlich nichts wissen - auch wenn sie selbst wohl annehmen, sie wüssten etwas. Doch was sie im Kopf haben, das sind Vorurteile und Hass!“
Rassismus habe viele Facetten, meinte die Oberbürgermeisterin. Rassismus fange bei blöden Witzen und abfälligen Bemerkungen an und reiche über Ausgrenzung und Diskriminierung bis zu tätlichen Angriffen und hinterlasse so eine dunkle, eine beschämende Spur. Davon war glücklicherweise beim gestrigen Fest der Nationen“ nichts zu spüren. Es war ein buntes, fröhliches Zusammensein von Bürgerinnen und Bürgern unterschiedlicher Herkunft und Religionen, das zeigte: Ein Miteinander ist möglich, Toleranz vorausgesetzt. Das Häuflein der ewig Gestrigen von Pro NRW bekam davon allerdings nichts mit. Es war nach einer halben Stunde leise weiter gen Solingen gezogen. Ein wenig „bedröppelt“, wie es schien.
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