Pilz: Stattliche Buche am Heidhof muss gefällt werden
Diese Meldung elektrisierte Anfang der Woche Naturfreunde: „Der städtische Fachdienst Grünflächen und Friedhöfe muss zum Schutz der öffentlichen Sicherheit vier stadtbildprägende Bäume entfernen. Wegen Holzfäule und Pilzbefall sind diese Bäume bruch- und umsturzgefährdet. Zum einen sind das drei Kastanien neben der Musikschule an der Elberfelder Straße 20. Der vierte Baum, eine Blutbuche, steht im Kreuzungsbereich Wilhelmstraße Ecke Eberhardstraße (Am Honsbergpark). Interessierten, die sich über die Notwendigkeit der bevorstehenden Fällungen informieren möchten, bietet der Fachdienst gemeinsam mit dem Bezirksbürgermeister von Alt-Remscheid, Ernst-Otto Mähler ein Gespräch am 17. Oktober um 16 Uhr an. Treffpunkt ist an der Buche.“ - Rund 40 Bürgerinnen und Bürger folgten gestern trotz regnerischen Wetters der Einladung von Otto Mähler. Gerne hätten sie bei diesem Ortstermin von den Vertretern der Stadtverwaltung gehört, dass die mächtige Rotbuche, deren Krone weit in die Kreuzung am Heidhof hineinragt, doch noch gerettet werden könne. Doch Karl Bernhard Wiedenhoff, Leiter des Grünflächenamtes, und Reinhard Bauer, Leiter der Abteilung „Grünflächenpflege und Friedhöfe“, sprachen von Anfang an Tacheles: „Die etwa 140 Jahre alte Rotbuche ist unheilbar krank!“ Weil es sich dabei um einen „stadtbildprägenden Baum“ handele und die Stadt in der Vergangenheit mehrfach zu Unrecht in der Kritik gestanden habe, „leistungsfähige Bäume abzusägen“, so Bauer, habe man sich zu dieser Bürgerinformation vor Ort entschlossen. Der Baum sei im Wurzelbereich so stark von einem Pilz befallen, dass er eine Gefahr darstelle und nicht mehr zu retten sei. Sein Niedergang sei schon seit 2009 zu beobachten.
Davon konnten sich die Bürger/innen selbst überzeugen. Aus den freiliegenden Wurzeln des Baumes, der in einem Steinwall steht, wachsen an zahlreichen Stellen fächerförmig rötlich bis schwarzbraune Pilzkörper dachziegelig übereinander. „Der Riesenporling (Meripilus giganteus) kommt von Juli bis November an der Stammbasis, an Stümpfen und Wurzeln von Buchen, Eichen, Linden, Rosskastanien und anderen Laubbäumen vor, selten auch an Nadelbäumen. Sein Fruchtkörper wird 20 bis 50, ausnahmsweise auch über 100 Zentimeter breit und bis zu 70 Kilogramm schwer. Der Pilz lebt an abgestorbenem Holz und verursacht eine intensive Weißfäule, heißt es im Internetlexikon Wikipedia. Als Weißfäule bezeichnet der Fachmann den Abbau von Lignin in holzigen Pflanzen durch Pilze. Lignine sorgen in der Natur für die Verholzung von Pflanzenzellen, sprich: Ohne Lignine könnten Bäume nicht in die Höhe wachsen. Indem der Pilz in den Baumwurzeln das Lignin abbaut, macht er das Holz instabil; es wird faserig. Letztlich bleibt von der Holzmasse nur noch ein weißlicher Matsch übrig.
Reinhard Bauer verglich das Lignin in den Holzzellen anschaulich mit der Stahlarmierung in Beton. Fehle das eine oder das andere, werde in jedem Fall die ganze Konstruktion brüchig. Man stelle sich vor, eine Sturmböe ließe den breit ausregenden Baum auf die verkehrsreiche Kreuzung stürzen ... Geschähe nichts, wäre das absehbar. Bauer: „Stünde der Baum in einem Wald, wäre er schon längst abgeholzt worden. Denn die Forstleute wissen, dass insbesondere ältere Buchen – ab 80 Jahre –, wenn erste Wurzeln absterben, gerne vom Riesenporling befallen werden. Sie wissen: Pilzbefallenes Holz ist nichts mehr wert!“
In diesem Fall aber steht die Verkehrssicherheit im Vordergrund. „Das und nichts anderes“, ging Bauer auf die Frage ein, ob die Stadt womöglich den gesamten Honsbergpark abholzen wolle oder die Rotbuche einer Umgestaltung der Kreuzung (Kreisverkehr) im Wege stünde. „Schon jetzt ist erkennbar, dass der kranke Baum nur noch kleine Blätter gebildet hat. Spätestens im übernächsten Jahr wird er gar keine Blätter mehr austreiben!“ Denn bis dahin dürfte der Pilz im Baumstamm ein, zwei Meter nach oben gewachsen sein und die Wasserzufuhr zu den Ästen unterbrochen haben.
In der Sitzung der Bezirksvertretung Alt-Remscheid am vergangenen Dienstag hatte Markus Kötter (CDU) erklärt, eine eingehendere Untersuchung durch einen unabhängigen Baumexperten müsse die alte Rotbuche der Stadt wert sein. Eine Forderung, die gestern von einigen Bürgern wiederholt wurde, darunter auch Karl Heinz Humpert (CDU). Karl Bernhard Wiedenhoff sagte zu, dies Dezernent Dr. Christian Henkelmann vorzutragen. Gabriele Lipka, die Vorsitzende des Landschaftsbeirates, glaubt nicht, dass ein Gutachten ein anderes Ergebnis erbringen könnte. Sie blickte deshalb gestern lieber nach vorne: „Wo findet denn der Ausgleich statt, wenn die Bucher gefallen ist?“ Antwort von Bauer: „Einen so großen Baum kann man gar nicht richtig ersetzen. Da müsste man schon 100 bis 150 junge Bäume pflanzen. Und dafür habe ich das Geld nicht!“
Ob man dem Baum denn nicht noch ein, zwei Jahre gönnen könne, beispielsweise indem man die Krone beschneide oder den Stamm mit einer Stahlmanschette abstütze, machte ein Bürger einen letzten Rettungsversuch. Doch ein tonnenschweres Naturdenkmal, das auf brüchigen Fasern ruht, mochte sich dann doch niemand ernsthaft vorstellen. Reinhard Bauer: „Wenn dieser Baum im November noch steht, werde ich jede weitere Verantwortung ablehnen!“ Da war niemand, der ihm diese Verantwortung hätte abnehmen wollen.
Waterbölles-Kurzkommentar: Die Zustandsbeschreibung durch Abteilungsleiter Bauer war überzeugend. Der Baum muss fallen, so Leid das vielen tun mag, damit nicht eines Tages Menschen in tödliche Gefahr geraten. In dieser ausweglosen Situation noch einmal Geld für ein Gutachten auszugeben, dessen Ergebnis für die Fachleute der Stadt außer Zweifel steht, wäre der reine Populismus. Auch ein halbes Jahr vor der nächsten Kommunalwahl sollten sich verantwortungsbewusste Kommunalpolitiker so entscheidungsfreudig zeigen, wie es die Wähler von ihnen erwarten können. Statt in einen externen Gutachter sollte das Geld besser in junge Bäume investiert werden.
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