
Remscheid war eine Artistenstadt. Und wird es wieder werden. Die Vergangenheit verkörpern Franz Carl und Martha Fach. An der Königstraße hatten sie eine Tierhandlung. Doch in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts zogen sie auch mit seinem Circus umher. Dann war er der Circusdirektor und sie die Raubtier-Dompteuse. Oder Franz Wybierala: Der gelernte Werkzeugmacher hatte in den 30er Jahren die Idee, sich als „lebende Kanonenkugel“ verschießen zu lassen. Mit der Kanone, die er sich von dem Remscheider Peter Nawrath hatte bauen lassen, trat er nicht nur in ganz Europa auf, sondern auch in Übersee. Als er eines Tages nicht im Fangnetz landete, sondern auf dem harten Boden, war damit Schluss. „Captain Franz“, wie er sich nannte, gründete eine Firma in Bergisch Born/Buchholzen, heute am Jägerwald ein Teil von GEDORE. Dort fand vor wenigen Tagen Joachim Karp, Mitarbeiter der Remscheider Wirtschaftsförderung, noch manche Erinnerungsstücke aus den Artistentagen, darunter auch einige Plakate. Im Mai werden sie zu sehen sein. Zusammen mit einem Film über Franz Wybierala aus dem Remscheider Stadtarchiv. Auf den „Internationalen Circustagen Remscheid“, die die Sektion Rhein, Ruhr, Wupper der 1950 gegründeten Gesellschaft der Circusfreunde e. V. mit Sitz in Berlin akribisch vorbereitet hat. Vorsitzender der mittlerweile seit 30 Jahren bestehenden Sektion ist Joachim Karp. Thomas Kind ist sein Stellvertreter. Gemeinsam stellten sie gestern im Rathaus das umfangreiche Programm vor. 
Es umrahmt das diesjährige Treffen von rund 150 Vereinsmitgliedern. Stilecht tagen sie am Freitag, 22. Mai, in zwei Zelten auf dem Schützenplatz, gleich neben dem Circus Charles Knie, der vom 19. bis 24. Mai in Remscheid gastiert. Klar, dass die Circusfreunde sich die Abendvorstellung der Artisten geschlossen ansehen werden, ebenso wie am Samstagnachmittag eine Vorstellung des Circus Alberti in Solingen und am Abend die des Circus Roncalli in Dortmund.
Auf die zweite Übernachtung in Remscheid – das freut die heimische Hotellerie – folgt am Sonntag, 24. Mai, eine interne Beiratssitzung in der Volkshochschule, wo alte und jüngere Circusgeschichte in Bildern aufeinander trifft. Die Fotoausstellung auf den Fluren der VHS im Ämterhaus zeigt unter dem Titel „Zirkus in der neuen Welt um 1904“ Arbeiten von Frederick Whitman Glasier aus dem Ringling Museum of Art, Florida, USA. Der Berufsfotograf Glasier (1866-1950) dokumentierte von 1901 bis 1927 mit seinen Schwarzweiß-Aufnahmen auf Glasnegativen u. a. den Alltag im nordamerikanischen Reisecircus des legendären P.T. Barnum. Ferner zeigt die VHS Farb- und Schwarzweiß-Aufnahmen von Nils Hauer (*1975), die im Herbst 2004 im Zirkus Charles Knie entstanden, zwei Jahre vor dessen Verkauf. Nils Hauer: „Für vier Wochen war ich als Architekturstudent im Circus Praktikant, reiste mit durch die norddeutsche Tiefebene. Jeder Arbeitstag dauerte mindestens 11 Stunden. Mir wurde sehr Prsönliches anvertraut. Vor allem die Marokkaner fühlten sich selbst nach Jahren fremd und isoliert. Ihre ewige Hoffnung war eine Arbeitsgenehmigung zu erhalten und ein stetigeres Leben zu führen. Dafür mussten sie mindestens sieben Jahre angestellt sein... Hinter der Glitzerwelt des Manegenrundes war diese Welt also voller Risse.“
Aber die „Internationalen Circustage“ haben noch viel mehr zu bieten: „Circus – Kult und Kultur“ ist eine Ausstellung überschrieben, die vom 13. bis 29. Mai im Rathaus zu sehen sein wird. Das Alleecenter wird sich zwischen dem 18. und 25. Mai in ein Ausstellungsgelände für wertvolle Original-Artistenkostüme aus den 1960er und 70er Jahren von Seiltänzern, Clowns, Dompteuren u. a. verwandeln. Gezeigt werden dort auch Circusmodelle und Fotos aus der bunten Circuswelt. Und wer will, kann selbst einmal jonglieren: Der Jonglier- und Diabolo-Kursus des Kinder- und Jugendzentrums „Die Welle e.V.“ aus Lennep zeigt jeweils Dienstag und Mittwoch, wie es geht. In einem Schminkwagen können sich Kinder in einen lustigen Clown oder eine Raubkatze verwandeln lassen.
Die zweite Ausstellung im Alleecenter (18. bis 25. Mai) ist dem Circus Barum gewidmet. Der Remscheider Modellbauer und Circusfreund Thomas Kind zeigt den kompletten Circus in Miniaturformat. Alle Wagen entstanden originalgetreu mit Hilfe der CNC-Technik, die der Graveur beruflich nutzt.
Mit drei Filmen beteiligt sich auch das Kino „Metropol“ an der Alleestraße an den Remscheider Circustagen. Dem französischen Drahtseilartisten Philippe Petit ist James Marsh’s Dokumentarfilm „Man on Wire“ gewidmet, der am 7. August 1974 eine Stunde lang auf einem Drahtseil zwischen den Twin Towers des World Trade Centers in New York balancierte und dafür anschließend ins Gefängnis kam. Der vorher nicht angekündigte Drahtseilakt ging als „das künstlerische Verbrechen des Jahrhunderts" in die Geschichte ein. Gezeigt wird der Film am Dienstag, 12. Mai, um 17.30 und 20.15 Uhr. „Die Dumme Augustine“, ein Kinderfilm, läuft am Dienstag, 26. Mai, um 17.30 Uhr, und Die Frau auf der Brücke über den Messerwerfer Gabor und seine menschliche Zielscheibe am gleichen Tag um 20.15 Uhr.
Am 23. Mai ab 10 Uhr findet neben dem Circus Charles Knie eine Sammler- und Tauschbörse rund um das Thema „Circus“ statt. Dazu haben sich bereits Sammler aus dem benachbarten Ausland bei der Gesellschaft der Circusfreunde angesagt. Joachim Karp: „Die Auswahl an Programmheften, Büchern, Fotos und vielem mehr wird riesengroß sein.“
Die Geschichte der Gesellschaft der Circusfreunde Deutschland (GCD) – sie hat inzwischen rund 2000 Mitglieder, u.a. auch in Skandinavien, den USA, Südafrika und Australien – begann 1955 mit dem Zusammenschluss von sieben Circusbegeisterten in Berlin. Karp: „Die Circusszene hat viele Facetten. Das macht es so spannend, sich mit ihr zu beschäftigen. Allein in Deutschland reisen mehrere Hundert Circusunternehmen. Das Spektrum reicht vom kleinen Familiencircus über den mittlerweile zum Klassiker avancierten einstigen Alternativ-Circus Roncalli bis zum größten Circus Europas, dem Circus Krone.“
Das Hobby "Circus" ist ähnlich vielfältig. Viele Mitglieder sammeln Bücher, Programmhefte, und Zeitungsausschnitte über ihr Lieblingsthema oder halten ihre Circuserlebnisse mit der Kamera fest. Andere Circusfreunde werden unterm Dachboden selbst zum Circusdirektor: Sie bauen ihr Lieblingsunternehmen mit unendlicher Geduld originalgetreu im Modellbauformat nach. Das Dach für all diese Aktivitäten bildet die GCD, ín diesem Jahr Ausrichter der „Internationalen Circustage Remscheid“.
Beim Gastspiel des Zirkus Charles Knie vom 19. bis 24. Mai auf dem Schützenplatz in Remscheid werden die Zuschauer einen bunten Mix aus Artisten, Clowns und exotische Tieren erleben, darunter eine gemischte Raubtiergruppe, Seelöwen, Känguru "Alfred" Pferde und Zebras. Am Samstag, 23. Mai, finden von 10 bis 12 Uhr öffentliche Dressur- und Artistenproben statt (mit Ponyreiten).