Finanzmisere der Stadt: Au weia, jetzt kommt es knüppeldick!
Verwaltung, Politik und Zuhörer – alle waren gestern darauf eingestellt, dass in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses heftig über die vorgeschlagene Erhöhung der Grundsteuer B diskutiert werden würde. Doch die wenige Stunden alte Hiobsbotschaft der Bezirksregierung in Düsseldorf, die Stadtkämmerer Sven Wiertz noch rechtzeitig zur Sitzung auf sechs Seiten – für alle verständlich – zu Papier gebracht hatte, verschlug den Ausschussmitgliedern die Sprache. Der städtische Haushalt für 2015 weist gegenüber dem Entwurf vom 1. Juli kein Defizit von sieben Millionen aus, sondern von 14,34 Millionen. Da ist es mit den 7,4 Millionen Euro, die eine Erhöhung der Grundsteuer pro Jahr in die Stadtkasse spüle soll, also noch lange nicht getan. Und die Fortsetzung der Haushaltssperre innerhalb der Verwaltung wirkt eher wie ein Tropfen auf dem heißen Stein. Wolf Lüttinger (FDP) brachte es auf den Punkt: “Die Finanzlücke ist unvorstellbar groß, schwindelerregend. Ich sehe nicht, wie sie gedeckt werden soll. Darüber müssen wir mit der Kommunalaufsicht reden!“
Das sei ohnehin vorgesehen, sagte der Kämmerer. Für Mitte November sei
das nächste „Haushaltsgespräch“ vereinbart. „Alle Aufgaben der Verwaltung
müssen auf den Prüfstand“, kündigte Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz an. „Die
Klausursitzung vom vergangenen Samstag wird nicht die letzte bleiben!“ Zwischenruf
von Jens Nettekoven (CDU): “Gut, dass Sie das so sagen!“ (An dieser Klausursitzung
nahmen zwar auch die beiden neuen Dezernenten Barbara Reul-Nocke und Thomas Neuhaus teil. Allerdings nur als „Gäste“. Stimmberechtigt
im Verwaltungsvorstand werden sie erst nach ihrem Dienstantritt sein. Thomas
Neuhaus wird am 3. November an seinem neuen Schreibtisch anzutreffen sein, Barbara Reul-Nocke erst in
einigen Wochen.)
Angesichts der neuen, klaffenden Finanzlücke dürfe eine weitere Erhöhung
der Gewerbesteuer kein Tabu mehr sein, forderte Fritz Beinersdorf,
Fraktionsvorsitzender der Linken. „Das wäre gegenüber den vielen Bürgern, die
von der Grundsteuererhöhung betroffen wären, nicht in Ordnung!“ Dazu der
Oberbürgermeister: „Wir haben dazu eine klare Position!“ (An die Gewerbesteuer
will die Verwaltung nicht ran). „Darüber müsste dann in den Fraktionen geredet
werden!“
Die werden in den nächsten Wochen viel zu besprechen haben – intern,
miteinander mit der Verwaltung. Wo um Himmels willen kann der Rotstift noch
angesetzt werden? Die SPD werde Ende November in Klausur gehen, kündigte Sven
Wolf an. Nachgedacht werden müsse jetzt auch über weitere Einsparungen beim
Personal, speziell bei der zusätzlichen Fluktuation (in die Rente) und bei den
Sachaufwendungen. „Das muss ein Dreiklang werden!“ Das sah Jens Nettekoven
genauso. Konkret schlug er für die Stadtverwaltung „Betriebsferien zwischen
Weihnachten und Neujahr“ vor; dadurch lasse sich bei Strom und Heizung sparen. Merke:
Die Finanzlücke der Stadt in 2015 beträgt 14,34 Millionen! Betriebsferien über
ein paar Tage sind da nur ein Tröpfchen....
Die Erhöhung der Grundsteuer B sei „vom
Grundsatz her nicht ganz unlogisch“, hielt Sven Wolf an seinem Sprechzettel
fest, als habe es die Hiobsbotschaft des Kämmerers nicht gegeben. „Die Maßnahme
23 bereitet mir unglaubliche Kopfschmerzen! Da fliegt uns gerade unser schöner
Sparplan um die Ohren!“ Geplant war, die Sozialleistungen nach SGB II, VIII und XII, die im
Wesentlichen über das Jobcenter an Hartz IV-Empfänger ausgezahlt werden, um
einen Millionenbetrag zu kürzen. Doch da die Zahl der Bedarfsgemeinschaften
weiter steigt, ist das zur Utopie geworden. Vorschlag von Wolf: „In die nächste
Sitzung des Hauptausschusses sollten wir den Leiter des Jobcenters einladen!“
Eine Anregung, die der OB aufgreifen will. Der Stein der Weisen wird sich
dadurch allerdings wohl nicht finden lassen.
Ein paar konkrete Zahlen
Der am 1. Juli 2014 eingebrachte Entwurf des Doppelhaushaltes 2015 /
2016 weist folgende Jahresergebnisse aus:
2013 |
2014 |
2015 |
2016 |
2017 |
2018 |
2019 |
-27,4 Mio. |
-24,3 Mio. |
-7,0 Mio. |
+0,9 Mio. |
+1,0 Mio. |
+3,7 Mio. |
+6,9 Mio. |
Mit Stand vom gestrigen Tage fasste die Verwaltung den bisherigen Planungsstand wie folgt zusammen:
2013 |
2014 |
2015 |
2016 |
2017 |
2018 |
2019 |
-27,4 Mio. |
ca.-48 Mio. |
-9,7 Mio. |
-0,7 Mio. |
-0,6 Mio. |
+ 9,9 Mio. |
+ 13,0 Mio. |
Darin enthalten sind die Veränderungen aus der Klausurtagung zum Haushalt 2015/2016, u.a. mit einem um 200 v.H. erhöhten Hebesatz der Grundsteuer B als teilweiser Ersatz für wegfallende Erträge bei der Gewerbesteuer.
Gestern dann die Hiobsbotschaft aus Düsseldorf: Der Gemeindeanteile an der Einkommensteuer und der
Gewerbesteuer werden sich für die Haushaltsjahre 2015, 2016 und 2017 deutlich
verringern. Hintergrund: Seit dem 1. Januar 1970 werden die Kommunen an der
Lohn- und veranlagten Einkommensteuer beteiligt. Seit dem 1. Januar 1980 beträgt der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer 15 %.
Die Verteilung dieses Gemeindeanteils erfolgt durch eine für drei Jahre
festgelegte gemeindebezogene Schlüsselzahlen. Sie ermittelt sich aus der Höhe
der Einkommensteuer in einer Gemeinde in Relation zum Gesamtaufkommen. Und
dabei kommt es nun für Remscheid zu einer größeren
Abweichungen gegenüber den Vorjahren. Weil das in 2010 ausgezahlte
Kurzarbeitergeld die zu zahlende Einkommensteuer (und damit die Schlüsselzahl) deutlich
verringert. Dieser Effekt wiederholt sich nun in den Jahren 2015, 2016 und
2017, da 2010 als statistisches Basisjahr für die Ermittlung der Schlüsselzahl
herangezogen wird.
Unter Berücksichtigung der neuen
Schlüsselzahl ergibt sich folgendes neue Finanzloch bei der Einkommensteuer für die Jahre 2015 bis 2019:
2015 |
2016 |
2017 |
2018 |
2019 |
-3,9 Mio. |
-4,1 Mio. |
-4,3 Mio. |
-4,5 Mio. |
-4,7 Mio. |
Hinzu kommt ein weiteres Finanzloch, das sich aus der neuen
Schlüsselzahl für die Umsatzsteuer ergibt:
2015 |
2016 |
2017 |
2018 |
2019 |
-830.000 |
-860.000 |
-900.000 |
-920.000 |
-950.000 |
Diese Defizite summieren sich wie folgt:
2015 |
2016 |
2017 |
2018 |
2019 |
-14,43 Mio. | -5,66 Mio. | -5,8 Mio. | +4,48 Mio. | +7,35 Mio. |
Zum Vergleich: Am 1. Juli gingen Rat und Verwaltung für den Etat 2016
noch mit einem Plus von 900.000 Euro aus. Jetzt klafft da ein Loch von 5,66 Millionen. Gelingt es nicht, es zu schließen –
und wie das gelingen soll, weiß gegenwärtig niemand -, wird der Stadt Remscheid
der „Sparkommissar“ wohl nicht erspart bleiben.