von Ute Lennartz-Lembeck
Für meine Reise nach Kanada in diesem Sommer hatte ich sechs kleine Menschen mit hochgehaltenen 'Freedom'-Transparenten gedruckt und angemalt. Drei Frauen, drei Männer. Das Thema/Wort 'Freedom' interessiert mich schon lange, und so machten sich die kleinen Aktivisten auf den Weg es genauer zu erkunden, kreativ zu erforschen. Das hat Parallelen zum britischen Streetart-Künstler, Fotografen und Blogger Slinkachu, der seine Modellfiguren ebenfalls im öffentlichen Raum platziert. Bei ihm geht es um Urbanität schlechthin, u.a. das Gefühl der Anonymität und Entfremdung, die Erfahrung von Einsamkeit und Isolation in der Masse. Slinkachu überlässt seine Figuren, nachdem er die Szenen fotografiert hat, dem Schicksal. Meine etwas größeren Figuren (selbst gedruckt mit dem 3D-Drucker aus recyceltem Filament) fotografiere auch ich an verschiedenen Orten, mal einzeln, mal als Gruppe, als 'soziale Bewegung', nehme sie dann aber wieder mit. Das Thema ist immer gleich: immer die 'Freiheit' suchend und hinterfragend.
Freiheit ist ein großes, in ständiger Diskussion und permanentem Wandel stehendes Thema in der Philosophie, Theologie, der Moderne, umfasst psychologische, soziale, religiöse, rechtliche Probleme. Ein zentrales Thema menschlicher Ideengeschichte. Freiheit steht im natürlichen Zusammenhang und Spannungsverhältnis zu anderen Werten, individuell, kollektiv, innen und außen, persönlich, souverän, bürgerlich, politisch...
Was ist Freiheit – wo beginnt sie, wo hört sie auf? Freiheit ist ein Menschenrecht. Was bedeutet das persönlich? Was bedeutet es im Zusammenhang mit Verantwortung? Jemand ist frei, der zu einer Gemeinschaft von einander Nahestehenden und Gleichberechtigten gehört, zwischen denen ein friedlicher Zustand herrscht, die diesen Frieden gegenüber Übergriffe und Dritte verteidigt – ein weites Feld.
Indem die kleinen Aktivisten an verschiedenen Orten stehen, sollen sie den Betrachter anregen, sich selbst Fragen zu stellen. Die Kunst liegt insofern im weiteren Sinne im Auge des Betrachters. Und später öffentlich gemacht in sozialen Netzwerken, stehen sie allgemein zur Diskussion.
Kanada ist der zweitgrößte Staat der Erde, mit nur 36 Millionen Einwohnern. Die Natur ist wunderschön, aber bedroht. Ein riesiges Land, mit Wäldern, Seen, Eisfeldern, vielen Tierarten, Seen, Menschen leben auf nur einem Prozent der Fläche, der nördlichste Punkt ist nur wenige 100 Kilometer vom Nordpol entfernt.
Die Besiedelung durch die First Nations begann schon vor 12.000 Jahre. Im 15. Jahrhundert landeten die ersten Europäer und begannen im 16. Jahrhundert mit der Kolonialisierung. Die Rechte der indigenen Völker, die Unabhängigkeitsbestrebungen Quebecs, die Stellung der frankophonen Kanadier, der Umweltschutz, die Einwanderungspolitik und die Rohstoffunabhängigkeit sind ständige Themen. Die Politik der zwangsweisen Eingliederung der First Nations (seit 1876) in die kanadische Kultur hat tiefe Furchen geschlagen, deren Auswirkungen noch heute spürbar sind, die Lebensverhältnisse sind oftmals auch heute noch prekär. Das ist das Gegenteil von 'Freiheit'. Erst 1998 entschuldigte sich die kanadische Regierung bei den Ureinwohnern für die Art und Weise bei den First Nations wie sie in der Vergangenheit behandelt wurden. Heute ist Kanada ist ein sehr beliebtes Einwanderungsland mit einer Multikulti-Gesellschaft, die nicht ausgrenzt. In erster Linie sind alle Kanadier, erst dann folgt die ethnische Herkunft.
In Kanada habe meine Freundin besucht. Sie kommt aus Dabringhausen, ihr verstorbener Mann war Engländer. Sie hatten sich bewusst für Kanada entschieden, da sie dort Möglichkeiten fanden etwas aufzubauen. Ehemals englischer Farmer hat er als Hufschmied gearbeitet, meine Freundin betreibt eine Polsterei (in Deutschland leitete sie ein Gestüt). Ihr Haus in Kanada haben sie völlig eigenständig gebaut, ein großer Garten ermöglicht die Selbstversorgung. Selbstbestimmt – frei (wirklich gesund, ‚unbehandelt‘, von der Natur bestimmt, mit ihr in Einklang lebend, ursprünglich). Nachbarn sind eine fünfköpfige Familie aus Libyen, der Mann arbeitet bei der 'Peace police' in Kelowna, B.C.
Ich habe in Kanada viele Menschen kennen gelernt, aus vielen verschiedenen Heimatländern. Unter Justin Trudeau soll die Einwanderung weiter steigen. Das hat etwas von 'Freiheit' („You don't have to be a man to fight for freedom. All you have to do is an intelligent human being.“ Malcom X). Wieder in Remscheid, stehen die kleinen Aktivisten auf dem Schreibtisch, bereit dafür, neue Orte zu entdecken. Es gibt noch genug, und manchmal muss man dafür noch nicht einmal die Stadt verlassen. Es geht also weiter...
Die Fotos mit den kleinen Protagonisten entstanden am Okanagan Lake (langer schmaler Binnensee in kanadischer Provinz BC. Rund 135 km lang und 4-5 km breit, schlängelt sich im südlichen Teil von BC durch das Okanagan-Becken und geht rund 55 km vor der Grenze zum US-Bundesstaat Washington in den gleichnamigen Fluss über), der (Killeny Beach (regional district of Central Okanagan), in der Kleinstadt Armstrong (im nördlichen Okanagan Valley, 24 km von Vernon, Regional district of North Okanagan), am Kalamalka Lake (großer See östlich des Okanagan Lake, 4 km von Vernon. Kalamalka: indigene Bezeichnung: tausend Lichter), im Flugzeug über den kanadischen Rocky Mountains (kurz vor Calgary) und in der Stadt(Kelowna (fast 120.000 Einwohner, größte Stadt am Lake Okanagan, achtgrößte Stadt in BC. BC: die am westlichsten gelegene Provinz Kanada, geprägt durch Pazifikküste und Gebirgslandschaft, Hauptstadt Victoria).
