Gutes Zeugnis bei wenig rosiger Ausgangslage
Ein sechsköpfiges Team der Gemeindeprüfungsanstalt NRW (gpaNRW), die seit 2003 mit der überörtlichen Prüfung aller 396 Kommunen in NRW beauftragt ist, hat sich in der Remscheid Stadtverwaltung die Themen- und Arbeitsbereiche Finanzen, Zahlungsabwicklung, Hilfe zur Erziehung, Verkehrsflächen, Friedhofswesen, Bauaufsicht, Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II und Hilfe zur Pflege genauer angesehen. Die Prüfung zwischen September 2018 und Dezember 2019 galt den Haushaltsjahren 2018 und 2019 begann mit einem zweimonatigen elektronischen Datenaustausch. Anschließend folgten intensive Gespräche vor Ort mit den jeweiligen Abteilungsleitern und den Mitgliedern des Verwaltungsvorstands.
Die gpaNRW ist Teil der staatlichen Aufsicht des Landes über die Kommunen und wurde im Jahr 2003 gegründet. Sie hat ihren Sitz in Herne. Ihr ist durch Gesetz und Gemeindeordnung die überörtliche Prüfung aller 396 Kommunen, der 30 Kreise sowie der Städteregion Aachen, der beiden Landschaftsverbände und des Regionalverbandes Ruhr (RVR) übertragen. Den Kommunen bzw., kommunalen Verbänden gegenüber erfüllt sie ihre Prüfaufgaben nicht unentgeltlich, sondern stell ihnen diese anhand einer Gebührenordnung in Rechnung. So muss Remscheid in diesem Jahr mit einer Forderung der gpaNRW in Höhe von rund 270.000 Euro rechnen.
„Die Stadt Remscheid nimmt erfolgreich am Stärkungspakt Stadtfinanzen teil. Trotzdem bleibt der Konsolidierungsdruck nach wie vor hoch.“ erklärt Simone Kaspar, die Stellvertreterin des Präsidenten der gpaNRW, gestern Nachmittag auf der Presskonferenz, zu der Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz die lokalen Medien mit der Begründung ins Rathaus eingeladen hatte, die Verwaltung lege Wert auf Transparenz: „Wir haben nichts zu verbergen; wir gehen mit dem Prüfbericht ganz offensiv um!“ Darin attestiert gpa-Prüferin Lena Steinkamp der Stadt, seit 2016 gelinge es ihr wieder, Jahresüberschüsse zu erwirtschaften. „Vor allem der Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer sowie die Schlüsselzuweisungen des Landes NRW sorgen für die positiven Jahresabschlüsse. Aber auch die im Stärkungspakt ergriffenen Einsparungen tragen zu besseren Jahresabschlüssen. (…) Gleichwohl ist die Stadt überschuldet. Es ist nicht absehbar, wann die Überschuldung überwunden werden kann.“
Verständlich bei Krediten über fast 590 Millionen Euro, die noch zurückgezahlt werden müssen. Der Schuldenabbau gehe langsam, aber stetig voran. Doch es gibt ein Problem: „Das städtische Vermögen ist teilweise überaltert; die Abnutzungsgrade sind hoch!“ Für die nächsten Jahre bedeutet das einen hohen Investitionsbedarf und die Aufnahme n euer Kredite, beispielsweise für Instandsetzung der Straßen. Den jährlichen Mehrbedarf für die Straßensanierung beziffert die gpaNRW mit 1.250.000 Euro im Jahr. Denn drei Viertel aller städtischen Straßen hätten die Restnutzungsdauer erreicht. „Wir bestärken die Stadt Remscheid in ihrem Vorhaben, die Zustandserfassung der Verkehrsflächen in 2020/2021 vorzunehmen. Die drittgrößte Stadt im Bergischen Land sollte verstärkt nachhaltige Instandsetzungen durchführen. Hierfür sollten kosten- und flächenbezogene Ziele festgelegt und hieran der Ressourcenbedarf definiert werden“, rät gpa-Prüferin Lena Steinkamp. Zitat aus dem Bericht: „Teilweise wurden bereits Drei Viertel der prognostizierten Nutzungsdauern des städtischen Vermögens aus bilanzieller Sicht erreicht. Stehen der Stadt keine anderen Mittel zur Verfügung, kann sie künftig notwendige Investitionen nur über Investitionskredite finanzieren.“
Wie aber soll die finanzschwache Stadt das leisten können? Weil der Prüfbericht auch der Kommunalaufsicht im Düsseldorf vorliegen wird – nach der Ratssitzung am 18 Juni samt einer Stellungnahme von Rat und Verwaltung - setzt Stadtkämmerer Sven Wiertz auf die übergeordnete Behörde und hofft auf deren Zustimmung zu einem größeren Kreditrahmen für die Stadt, erwartet aber „keinen Blankoscheck“.
Zurück zum Bericht der gpaNRW. Sie konnte bei der Prüfung der Zahlungsabwicklungen der Kämmerei feststellen, dass die Stadt Remscheid ihre Aufgaben mit geringem personellem Einsatz sach- und zeitgerecht erledigt. Bei der Vollstreckung städtischer Zahlungsforderungen bescheinigten die Prüfer der Stadt eine hohe Erfolgsquote. Durch den Ausbau der SEPA-Lastschriftmandate könnte allerdings der Prozessablauf noch weiter optimiert werden.
Die Hilfen zur Erziehung waren ein weiterer Bestandteil der Prüfung. Projektleiterin Sandra Diebel: „Die Haushaltsbelastung durch die Hilfen zur Erziehung liegt in der Stadt Remscheid im Vergleich zu den anderen kreisfreien Städten im Mittelfeld. Negativ wirken sich allerdings ein niedriger Anteil ambulanter Hilfen und eine hohe Falldichte im Bereich der Heimerziehung aus. Wir empfehlen deshalb eine noch intensivere Akquise von Pflegefamilien und den Aufbau eines Rückkehrmanagements.“ Hintergrund: Die Kosten für einen Platz in einem Kinderheim sind deutlich höher als die für eine Pflegefamilie. im Vergleich zu den anderen 22 kreisfreien Städten in Nordrhein-Westfalen unterdurchschnittlich ist.“ Dass die Haushaltsbelastung im Bereich der Hilfe zur Pflege in Remscheid im Vergleich zu den anderen 22 kreisfreien Städten in NRW unterdurchschnittlich ist, nannte Sandra Diebel gestern erfreulich und führte es niedrige Kaltmieten in Remscheid zurück („De sind in Düsseldorf deutlich höher!“).
Überdurchschnittlich gut im Städtevergleich kommt Remscheid auch bei den Pflegeleistungen weg. Weil verhältnismäßig wenige Pflegebedürftige städtische Leistungen aus der Hilfe zur Pflege – und weil rund 30 Prozent der Leistungsbezieher in Remscheid in der eigenen häuslichen Umgebung versorgt werden. Die Stadt habe im Übrigen „Maßnahmen ergriffen, um die Versorgung von Pflegebedürftigen außerhalb von Einrichtungen nachhaltig zu stützen und zu verbessern.“ Empfohlen wird der Stadt, die Pflegeberatung vor Ort, in den Wohnungen der Betroffenen, zu intensivieren.
Besonders in den Blick nahmen die gpa-Prüfer auch den Bereich Friedhofswesen. „Wir haben eine gute Datenlage vorgefunden, die eine gute Steuerung des Friedhofswesens ermöglicht. Die Stadt Remscheid hat auf die geänderte Bestattungskultur frühzeitig reagiert und betreibt seit 2004 einen eigenen Begräbniswald. Damit wird die Stadtverwaltung der Nachfrage nach pflegefreien Grabstellen gerecht“, lobt Sandra Diebel.
„Insbesondere die Bauaufsicht der Stadt Remscheid ist geprägt von einer personell angespannten Situation“, berichtete die Projektleiterin gestern weiter. „Dies führt dazu, dass die Bediensteten in der Bauordnungsverwaltung die meisten Baugenehmigungen je Stelle im Vergleich zu den übrigen kreisfreien Städten bearbeiten. Zudem musste die Bauberatung aufgrund der mangelnden personellen Möglichkeiten vollständig eingestellt werden.“ Klar, dass der Technische Beigeordneter Peter Heinze sich über die große Einsatzbereitschaft der Mitarbeiter/innen der Bauaufsicht freute. Aber natürlich hätte er auch gerne für Ersatz gesorgt für die beiden Mitarbeiterinnen, die noch bis Mai wegen Schwanger- und Mutterschaft fehlen. Doch die gibt der freie Markt nicht her. Da ist es hilfreich, dass sich „im Zuge der Digitalisierung noch Verbesserungen bei den Prozessabläufen in der Bauaufsicht ergeben werden“, so die gpaNRW.
„Die eigenen Anstrengungen der Stadt Remscheid zur Sanierung der kommunalen Finanzen lassen sich im städtischen Haushalt erkennen und waren in allen Prüffeldern feststellbar. Dies zeigt, dass Remscheid auf einem guten Weg ist. Wir bestärken Politik und Verwaltung darin, diesen Weg konsequent fortzusetzen, um dadurch weiteren kommunalpolitischen Handlungsspielraum zurückzugewinnen“, betont Simone Kaspar abschließend. Oberbürgermeister Mast-Weisz freute sich über die positive Bewertung. Zu den Anregungen und Tipps der Prüfer sagte er: „Wir werden nachsteuern, sofern der personell und finanziell machbar ist!“ Da bietet sich nach Auskunft der Prüfer beispielsweise der Abbau von „Handlungsdefiziten beim Controlling“ an und die Festlegung von Konsolidierungsmaßnahmen für den (erwartbaren) Fall einer Konjunkturdelle.
Die Ausgangslage der Stadt schilderten die Prüfer übrigens nicht allzu rosig: Kaum finanziellen Spielraum, hohe Kindermut, aber Perspektiven dank geringer Jugendarbeitslosigkeit, weiter sinkende Einwohnerzahl bei wachsender Überalterung der Bevölkerung. Gut, dass der Hebesatz bei der Grundsteuer B noch Potenzial nach oben lasse, um den ausgeglichenen Haushalt in den nächsten Jahren wahren zu können, meinten die Prüfer…