„Unterrichtsausfall wegen Corona kompensieren!“, überschrieb der Waterbölles am 18. Februar die Mitteilung der Fraktionen von SPD, Bündnis‘90/DIE GRÜNEN und FDP, in der sie zur Sitzung des Hauptausschusses am 18. März einen An trag ankündigten “zur Unterstützung bei der Kompensation von pandemiebedingtem Unterrichtsausfall“. Siehe dazu auch die Stellungnahme der Verwaltung im Waterbölles vom 22. März: „Jugendhilfe kann Unterrichtsausfall nicht ausgleichen“. Dazu haben sich gestern nun auch die Sprecher der beiden Arbeitsgemeinschaften Offene Kinder- und Jugendarbeit (AGOT) und Jugendverbandsarbeit (AGJ) zu Wort gemeldet. Der Waterbölles dokumentiert diese Stellungnahme nachfolgend:
„Der Antrag (der Fraktionen) wurde in der AGOT und der AGJ intensiv diskutiert. Er hat in mehrfacher Hinsicht irritiert:
- Es ist keine Adressierung an den Jugendhilfeausschuss vorgesehen, obwohl die Gestaltung und Durchführung der Angebote der Kinder- und Jugendarbeit und die Nutzung der Einrichtungen, ja sogar der Einsatz des Personals betroffen sind.
- Er vermittelt den Eindruck, die Kinder- und Jugendarbeit sei in den „zurzeit ohnehin geschlossenen Jugendzentren“ eingestellt und ignoriert damit die auch in dieser Zeit durchgeführten vielfältigen und flexiblen Angebote.
- Es wird der Eindruck erweckt, Unterrichtsausfall und entstandene schulische Defizite im formalen Bildungsbereich könnten durch das non-formale und informelle Bildungssystem Jugendhilfe kompensiert werden.
Aus diesem Grund soll zur Klärung hier noch einmal der Auftrag und die Arbeitsgrundlage der Kinder- und Jugendarbeit dargestellt werden: Die Kinder- und Jugendarbeitet bietet Orte und Räume der Begegnung, der Freizeitgestaltung und der außerschulischen, nonformalen und informellen Bildung für junge Menschen mit eigenständigem Auftrag und Profil. Die maßgebliche gesetzliche Grundlage ist das SGB VIII Kinder- und Jugendhilfegesetz. Die wesentlichen Grundlagen der Arbeit in Remscheid sind: 1. § 11 SGB VIII Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG); §§ 10-12 Kinder- und Jugendfördergesetz NRW (3.AG-KJHG); der Kinder- und Jugendförderplan der Stadt Remscheid (DS 16/0112 im JHA am 10.02.2021) ; Das Konzept Offene Kinder- und Jugendarbeit in Remscheid (DS 15/3457 im JHA am 10.05.2017)
Die Kinder- und Jugendarbeit berichtet kontinuierlich und in der Zeit der Pandemie noch ausführlicher über ihre Arbeit [Qualitätsbericht Offene Kinder- und Jugendarbeit 2019 (DS 15/7226 im JHA am 3.6.2020); Bericht Aktivitäten der Jugendhilfe in der Corona-Pandemie (DS 15/7449 im JHA am 2.9.2020); Bericht Aktivitäten der Jugendarbeit in der Corona-Pandemie (DS 16/0503 im JHA am 10.2.2021); Qualitätsbericht Offene Kinder- und Jugendarbeit 2020 (DS 16/0619 im JHA am 24.3.2021)].
Die Bekämpfung der vielfältigen negativen Folgen der Pandemie ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die auch die (Offene) Kinder- und Jugendarbeit und die Jugendverbandsarbeit, insbesondere für die betroffenen Kinder, Jugendlichen und Familien, mit ihrem eigenen Bildungs- und Erziehungsauftrag von Beginn wahrnimmt. Leider nimmt der Antrag die Kinder und Jugendlichen nur sehr verengt als Schülerinnen und Schüler in den Blick, reduziert auf ihre Funktion als zukünftige Arbeitnehmer*innen. Diese öffentliche Sichtweise werden auch durch diverse Studien (u.a. JuCo-Studie1) im Kontext der Corona-Krise kritisiert:
„Sie werden überwiegend auf ihre Rolle als Schüler*innen und zukünftige Arbeitnehmer*innen reduziert. Andere, jugendspezifische Interessen, Bedürfnisse und Themen treten noch mehr in den Hintergrund als vor der Pandemie.“2
Begründet wird dies im Antrag damit, dass der „Ausfall unzähliger Unterrichtszeiten zu zum Teil deutlichen Lerndefiziten bei Schülerinnen und Schülern geführt (hat).“3
Dies entspricht sicher der Realität und sollte durch das zuständige System dringend durch zusätzliche Lern-angebote von qualifizierten Fachkräften (Fach-/Lehrer*innen) behoben werden. Unverständlich für uns ist deshalb, dass für diese Angebote auf das Leistungsspektrum, die Räume und das Personal der Kinder- und Jugendarbeit zurückgegriffen werden soll.
„Der Offenen Kinder- und Jugendarbeit kommt … die Aufgabe zu, dafür Sorge zu tragen, dass auch andere Bedarfe und Lebensbereiche junger Menschen wahrgenommen werden und dass Kinder und Jugendliche eine Stimme in ihren Kommunen haben.“4 Deshalb, und auf der Basis unseres gesetzlichen Auftrages gemäß SGB VIII, weisen wir darauf hin, dass der Ausfall unzähliger Sozialkontakte auf Dauer zu zum Teil deutlichen Sozialisationsdefiziten führen kann.
Der Qualitätsbericht „Offene Kinder- und Jugendarbeit in Remscheid 2020“ widmet den (Aus-)Wirkungen der Krise auf jugendliche Lebenswelten deshalb auch ein eigenes Kapitel.5
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