Brauchen wir noch Outlet-Center, ...
Zum Nachhören hat der WDR die Sendung auf seiner Homepage verlinkt. |
... wenn durch Corona der Einzelhandel stirbt?“ Das war gestern Abend das Thema bei „Stadtgespräch“, live auf WDR 5. Darüber sprach Moderatorin Judith Schulte-Loh von 20.04 bis 21 Uhr mit Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz, dem DGB-Kreisvorsitzenden Peter Lange, zugleich Sprecher der Bürgerinitiative Lennep, die das in Lennep geplante DOC ablehnt, Dr. Peter Achten, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes NRW, sowie einigen Hörerinnen und Hörern, die telefonisch zugeschaltet wurden. Der WDR zum Hintergrund der Radiosendung: „In den NRW-Innenstädten kämpfen Kaufleute ums Überleben. 'Click und meet' hin, Überbrückungshilfen her: Viele werden nach der Pandemie ihr Geschäft nicht mehr öffnen können, weil sie pleite sind. Trotzdem wollen die Stadt Remscheid und die Mehrheit des Stadtrates am geplanten Designer Outlet Center (DOC) festhalten. Sie träumen schon seit mehr als zehn Jahren vom Shopping-Dorf am Rande der Stadt. Bisher vergeblich, denn Outlet-Gegner klagten und gewannen vor Gericht. Jetzt muss das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entscheiden. Aber ergibt ein Outlet-Center nach Corona überhaupt noch Sinn? Ja, sagen die Befürworter und verweisen auf neue Arbeitsplätze und viel Kaufkraft, die in die Stadt kommt. Nein, sagen die Gegner, weil diese Form des Shopping-Tourismus nicht mehr zeitgemäß sei. Muss die Stadt nicht umdenken und eher versuchen, die kleinen Geschäfte zu retten?“
Die Frage, ob die Stadt nicht umdenken und versuchen, die kleinen Einzelhandelsgeschäfte in Remscheid zu retten, blieb gestern letztlich unbeantwortet. Gegner und Zweifler des DOC-Projektes riefen nach einem Plan B, doch Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz gab den Fels in der Brandung: Die Probleme des Einzelhandels hätten mit dem geplanten Designer Outlet-Center in Lennep gar nichts zu tun. Denn sie bestünden schon längere Zeit, das DOC gebe es aber noch gar nicht. Auch die Leerstände an der Alleestraße seien schleichend gekommen - mit dem Onlinehandel.
Dem konnte Peter Lange nicht widersprechen. Er räumte ein, dass ein Verzicht auf Designer Outlet-Center den Einzelhandel insgesamt wohl nicht retten werde, sah allerdings die Gefahr, dass dem heimischen Einzelhandel mit dem DOC ein Umsatzverlust von sieben bis 13 Prozent drohe (im Textilhandel gar bis 30 Prozent, sagte später am Telefon Klaus Kreutzer, der Vorsitzende des Verkehrs- und Fördervereins Lennep). Der OB konterte mit dem Hinweis auf die vielen Pkw mit deutschen Kennzeichen in den Parkhäusern von Roermond (NL), von denen er sich bei einem Besuch des dortigen DOC selbst überzeugt habe. Würden diese Kunden künftig im DOC in Lennep einkaufen, wäre das für den Stadtteil und die gesamten Stadt eine große Chance.
„Zu Lasten der Anwohner“, wandte Lange ein und verwies auf Verkehrs- und Umweltbelastungen. Das sei durch Gutachter doch alles geprüft worden, entgegnete Mast-Weisz – „auch mittels Verkehrssimulationen!“ Ohne Veränderungen (wie ein DOC) seien die Leerstände in der Lenneper Altstadt nun mal nicht zu beheben. „Stillstand ist Rückschritt!“ Soweit schien Dr. Peter Achten, der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes NRW, nicht gehen zu wollen. Er beließ es in dieser Radiostunde durchweg bei abwägenden Positionen. Beispiel: Ein DOC könne dort funktionieren, wo die Fragen der Verkehrsführung und -technik gelöst worden seien. Ob er diesbezüglich für das DOC Lennep Zweifel habe, sagte er nicht, bestätigte aber, dass das Factory Outlet Center in der Altstadt von Bad Münstereifel funktioniere. (Die Stadt sei aus ihrer Agonie erwacht und aufgewertet worden, hatte der WDR einen Sprecher des Einzelhandelsverbandes Bonn zitiert. Es komme deutlich mehr Kundschaft.)
Gleichwohl sah gestern Gunther Brockmann, der Vorsitzende der Lenneper Karnevalsgesellschaft (LKG), für die DOC-Planung in Lennep die Felle schwimmen. Denn die Richter am Oberverwaltungsgericht die den Bebauungsplan für das DOC für unwirksam erklärt hatten, hatten sich mit der Klage eines Anwohners (mehr Feinstaub und Lärm durch mehr Straßenverkehr) gar nicht befasst, sondern lediglich festgestellt, dass der B-Plan sich formal nicht nur auf ein einziges Einkaufscenter, sondern auf mehrere Center hätte beziehen und auch mehr Verkaufsflächen in den Obergeschossen hätte zulassen müssen. Womit sei denn zu rechnen, wenn das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die Entscheidung des OVG Münster nicht bestätige und diesem aufgebe, sich konkret mit der vorliegenden Klage zu befassen, fragte Brockmann am Telefon.
Monika Treder war die nächste, die in der Sendung anrief. Ihre Frage an den Oberbürgermeister: Im Wahlkampf habe er sich ja als ein großer Freunde der Bäume gezeigt. Dazu passe das neue DOC doch gar nicht… Burkhard Mast-Weisz entgegnete, nicht allein der Umweltschutz sei zu bedenken, sondern auch die Aussicht auf neue Arbeitsplätze. – „Aber zu welchen Bedingungen?“, wandte Peter Lange ein. Er bezweifelte im Übrigen, dass die Lenneper Altstadt von dem DOC profitieren werde. Dies meinte auch die Anruferin Susanne Burg aus Radevormwald: Wer seine schweren Einkaufstaschen müde zum Parkhaus getragen habe, habe zu einem Gang in die Altstadt keine Lust mehr. Ihr Fazit: „Das DOC ist aus der Zeit gefallen! Wir brauchen nicht mehr Verkehr, sondern weniger!“ Dagegen betonte Anrufer Werner Brück, er freue sich auf das DOC, von dem er sich eine Belebung der Altstadt verspreche. Peter Lange sah dafür keinen Grund: Genügend Gastronomie-Angebote seien schon im DOC vorgesehen.
Wie die große Mehrheit im Rat der Stadt sähen auch Remscheids Nachbarstädte in dem neuen DOC Potenziale, betonte der OB. Dem Kläger gegen den Bebauungsplan und der Bürgerinitiative Lennep (BI) machte er das Angebot, zusammenzukommen und gemeinsam nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen, damit das Projekt nicht scheitere. Doch Peter Lange sah darin wenig Sinn; die Gegensätze seien zu groß: „Natürlich können wir reden.“ Aber bisher habe die Stadt die BI eher stiefmütterlich behandelt, und die grundsätzlichen Bedenken gegen das DOC seien geblieben.