Mahnende Worte des Bundespräsidenten blieben ungehört
Von Peter Maar
Wenige Stunden vor der Ratssitzung am vergangenen Donnerstag unternahm der Heimatbund Lüttringhausen einen letzten Versuch, den Rat der Stadt Remscheid von einem Beschluss zur Schließung der seit 1909 in Lüttringhausen existierenden Stadtbibliothek abzuhalten. Per FAX übersandte der Heimatbund den Ratsfraktionen und der Oberbürgermeisterin die Festrede von Bundespräsident Horst Köhler, die dieser am 24.10.2007 anlässlich des Festaktes zur Wiedereröffnung der durch einen Großbrand zerstörten und jetzt wieder hergestellten weltberühmten Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar gehalten hatte. In dieser Rede hat der Bundespräsident bemerkenswerte Ausführungen über den Stellenwert und die Situation der Bibliotheken in Deutschland gemacht.
Deshalb erging durch den Heimatbund die Bitte an alle Ratsmitglieder und die Oberbürgermeisterin, die Ausführungen des Bundespräsidenten zum Anlass zu nehmen, über die Schließung der Lüttringhauser Stadtteilbücherei noch einmal nachzudenken. Hierzu kam es nicht, denn der Rat beschloss einstimmig (!) – nur das Lüttringhauser Ratsmitglied Stephan Jasper lehnte es ab, sich an dieser Abstimmung zu beteiligen – das Sparpaket zur Sanierung des Haushaltes, und damit auch das Aus für die Lüttringhauser Bücherei.
Nachfolgend Auszüge aus der Rede des Bundespräsidenten, die beim Rat der Stadt und der Oberbürgermeisterin ungehört blieben:
„Noch kann man sagen: Bibliotheken bilden in Deutschland ein flächendeckendes Netz. Und das ist gut: Bibliotheken fördern die Kompetenz, sich selbständig den Zugang zu Informationen in allen medialen Formen zu beschaffen. Bibliothekarinnen und Bibliothekare bieten Orientierung – in realen und virtuellen Medienwelten. Auch im unendlichen Meer des Internet sind Bibliothekare und Bibliotheken hilfreiche und kompetente Lotsen. Die deutschen Bibliotheken – und zwar alle, von der hochspezialisierten Forschungsbibliothek bis zur kleinen Stadtteilbibliothek - sind ein unverzichtbares Fundament in unserer Wissens- und Informationsgesellschaft. Die öffentlichen Bibliotheken sind weder ein Luxus, auf den wir verzichten können, noch eine Last, die wir aus der Vergangenheit mitschleppen: sie sind ein Pfund, mit dem wir wuchern müssen. …
In manchen Gegenden kann man von einem regelrechten Bibliothekssterben sprechen. Trotz des wichtigen Beitrags der Bibliotheken für die Bildung und das selbständige Lernen fehlt in Deutschland – im Gegensatz zu den erfolgreichen PISA-Ländern – die strategische Verankerung der Bibliotheken als Teil der Bildungsinfrastruktur. Durchgängige bildungspolitische Zielsetzungen gemeinsam mit dem Bibliothekswesen sind heute weder auf Länderebene noch in der Politik des Bundes in ausreichendem Maße anzutreffen. Bibliotheken gehören deshalb auf die politische Tagesordnung.
In den vergangenen Jahren mussten auch die Bibliotheken, Archive und Museen Sparbeiträge leisten. Die Finanzausstattung vieler Institute liegt heute unter dem Notwendigen, die Personaldecke ist dünn geworden. Viele können ihre Aufgabe der Bewahrung und Erschließung nicht mehr in erforderlichem Umfang erfüllen. Hier ist eine Kurskorrektur nötig.“
Der Rat der Stadt Remscheid sah keine Notwendigkeit für eine Kurskorrektur und beschloss mit dem Sparkatalog, der die sinnigen Bezeichnung „Zukunftspakt für Remscheid“ erhalten hat, dass es für eine Stadtteilbücherei Lüttringhausen keine Zukunft mehr geben wird.
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