Vorwort zu „Zeitzeuginnen des 20. Jahrhunderts“
Mit dieser Broschüre hat die Stadt Remscheid den vielen Remscheider Frauen, die wegen ihrer politischen Überzeugung, menschlichen Verantwortung oder aus ganz persönlichen Gründen während der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt und inhaftiert wurden, ein Denkmal gesetzt. Die teilweise umfangreich geschilderten Lebensschicksale waren ganz unterschiedlich und haben mich sehr berührt. Ich lernte die politisch engagierten Frauen als starke, selbständig denkende und handelnde Persönlichkeiten kennen, die teilweise ihre männlichen Partner an Aktivität und Kreativität übertrafen. Viele hatten auch vor der Nazizeit wichtige politische Funktionen bekleidet. Nur wenige Frauen standen im Schatten ihrer männlichen Partner oder sonstigen Familienangehörigen. Ihren Beitrag zur Menschlichkeit in einer unmenschlichen Welt ans Licht treten zu lassen und sie nicht zu vergessen, ist die Absicht dieser Broschüre. |
Remscheid hatte einmal eine starke Arbeiterbewegung, die vor dem 1. Weltkrieg sozialdemokratisch und in der Weimarer Republik kommunistisch geprägt war. Entsprechend kam auch der Widerstand in der Hauptsache aus den vielfältigen Organisationen der Arbeiterbewegung.
Die Remscheider Frauen hatten am Widerstand gegen den Faschismus einen beachtlichen Anteil. Aus unvollständigen Unterlagen der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten in Remscheid – geht hervor, dass sich unter 374 Bürgerinnen und Bürgern, die hauptsächlich wegen politischer Betätigung inhaftiert waren, immerhin 52 Frauen befanden. Unter ihnen alte Mütter wie die Kommunistin Maria Katzenberger, die durch den Faschismus alle drei Söhne verlor, weil sie wie ihre Mutter im Widerstand waren; unter ihnen die alte Frau Alders, die mit Tochter und Sohn verhaftet wurde, weil sie einem Illegalen Zuflucht in ihrer Wohnung in der Freiheitstrasse gewährt hatte, unter ihnen Elisabeth Henkel, die durch den Faschismus ihren Mann und zwei Söhne verlor, unter ihnen aber auch junge Mütter mit kleinen Kindern wie Milli Hilbert, Hanni Schäfer, Liesbeth Stillger und Elfriede Eisenberg.
Schon gleich nach der Machtübernahme waren Funktionärinnen und Funktionäre der Arbeiterbewegung, Stadtverordnete weiblichen und männlichen Geschlechts durch die Gestapo in sogenannte Schutzhaft genommen worden. Nach der VVN vorliegenden Unterlagen sind folgende weibliche kommunistische Stadtverordnete aus Remscheid in der Nazizeit inhaftiert worden: Selma Hahn, Elisabeth Henkel, Milli Hilbert, Gertrud Tillmanns und Trude Wybierala.
Maria Katzenberger war Kandidatin der KPD für die Stadtverordnetenwahlen in Remscheid im März 1933, ebenso Maria Redlich.
Es mussten mindestens vier Frauen aus Remscheid in der Nazizeit emigrieren: Margarete Salz geb. Müller; Elfriede Bohlen, geschiedene Gilden, geb. Winsen; Hildegard Koll, geb. Arndt, Ehefrau von Otto Koll; Else Wolf geb. Dreibholz, Ehefrau des Schriftstellers und Arztes Friedrich Wolf.
Mindestens drei Remscheider Frauen wurde in der Nazizeit die Staatsbürgerschaft aberkannt: Hildegard Koll, geb. Arndt geb. am 15.5.1908 in Remscheid, Ehefrau von Otto Koll; Hildegard Koll, geb. am 23.2.1912 in Wermelskirchen, in den 30er Jahren in Remscheid wohnhaft; Else Wolf geb. Dreibholz.
Warum haben alle diese Remscheider Antifaschistinnen solch eine Bürde auf sich genommen? Wie verliefen ihr Lebensweg und ihr politischer Werdegang? Wo hatten sie ihre Wurzeln? Diesen Fragen sind wir nachgegangen und haben einige Biografien von Remscheider Antifaschistinnen für dieses Büchlein zusammengestellt.
Von drei Frauen lagen selbstverfasste Lebensberichte vor, von einigen Tonbandprotokolle. Wenn von anderen Frauen nur Wiedergutmachungsakten oder Akten des Hauptstaatsarchivs in Düsseldorf vorhanden waren und die Biografien kürzer ausfallen, heißt das nicht, dass diese Frauen weniger gekämpft oder weniger gelitten haben. Dieses Buch soll Auskunft geben über die Kämpfe und die Leiden dieser Frauen, ihren Mut und ihre Standhaftigkeit. (Die Schicksale jüdischer Frauen sind in dieser Arbeit nicht erwähnt, da sie in dem Buch „Geschichte der Remscheider Juden“ von Jochen Bilstein und Frieder Backhaus gewürdigt wurden.)
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