Prüfaufträge können zu hohen Mehrausgaben führen
Vielleicht kennen Sie diese Binsenweisheit: „Besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen“. In der gegenwärtigen Corona-Pandemie begründet damit die Politik in Deutschland auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene fast täglich eine Vielzahl von Richtlinien, Erlassen und Gesetzen. Nicht alle bleiben später unkorrigiert. Denn „wer viel macht, macht manchmal auch was verkehrt“ (Binsenweisheit Nr. 2). Nicht ausgeschlossen also, dass von den Prüfaufträgen, die die Mitglieder des Haupt- und Finanzausschusses gestern Abend im Teo Otto Theater der Verwaltung erteilten, nicht alle zu den von den Antragstellern erwarteten Ergebnissen führen werden. Denn sollten aus den Prüfaufträgen konkrete Aufträge werden, wären diese mit erheblich Ausgaben verbunden. Dabei hat die Stadt Remscheid, wie auch die übrigen Kommunen in NRW, von der Landesregierung in der Corona-Krise bislang noch keinen einzigen Cent zur Unterstützung gesehen, wie David Schichel von den Grünen bemerkte. Was ihn aber nicht hinderte, zu den Antragstellern der Prüfaufträge zu gehören.
Diese hatte Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz in der gestrigen Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses im Teo Theater noch gar nicht aufgerufen, da nahm Stadtkämmerer Sven Wiertz zu den möglichen haushaltswirtschaftlichen Auswirkungen dieser Prüfaufträge und den Voraussetzungen möglicher kommunaler Hilfeleistungen Stellung. Und die begann unmissverständlich: „Die Stadt Remscheid ist – trotz der Konsolidierungserfolge der zurückliegenden Jahre – weiterhin überschuldet und fällt damit in den Kreis jener Kommunen, die pflichtig am Stärkungspakt Stadtfinanzen teilnehmen müssen. Neben den einschlägigen Regelungen der Gemeindeordnung, der Kommunalhaushaltsverordnung sind damit auch die gesetzlichen Bestimmungen des Stärkungspaktgesetzes zwingend einzuhalten!“
Sven Wiertz weiter: „Was bedeutet das konkret? Das Kurzgutachten meines ehemaligen Bochumer Kollegen Dr. Manfred Busch hat vor einigen Wochen die möglichen Auswirkungen der Pandemie auf die Kommunalfinanzen in Nordrhein-Westfalen beziffert. Bei Projektion dieses Gutachtens auf die Stadt Remscheid würden sich die Pandemiefolgen der Stadt Remscheid im Durchschnitt auf 42,5 Mio. Euro (untere Abschätzung 28,4 Mio. Euro und obere Abschätzung 56,7 Mio. Euro) belaufen. Dieser Betrag würde außerhalb des ordentlichen Jahresergebnisses dargestellt, um sodann in der Bilanz als immaterielles Vermögensgut aktiviert zu werden. Ab 2025 erfolgt die Abschreibung des Bilanzpostens in der Ergebnisrechnung über einen Zeitraum von 50 Jahren (bis 2075) mit jährlich 850.000 Euro. Dieser Betrag belastet in diesem Zeitraum die Jahresergebnisse.“
Die Landesregierung habe zwar mit dem so genannten Pandemiegesetz angekündigt, per Erlass für die Kommunen haushaltsrechtliche Regelungen zu treffen („Bilanzierungshilfe“), damit pandemiebedingte Mehraufwendungen und Mindererträge erfasst und in der Bilanz der jeweiligen Kommune aktiviert werden könnten, „um sie – beginnend mit dem Haushaltsjahr 2025 – über einen Zeitraum von 50 Jahren jährlich linear abzuschreiben.“ Doch dieser Vorschlag sei bisher nicht weiter erläutert worden. Wiertz: „Insbesondere fehlen bisher verlässliche Aussagen zur Ermittlung der pandemiebedingten Mindererträge – wie beispielsweise bei der Gewerbesteuer. Das gilt auch für alle Überlegungen, während der Krise kommunale Haushaltsmittel für besondere Zwecke zu verwenden.“
Die Aufsichtsbehörde habe der Stadt Remscheid auf Anfrage erklärt, dass es derzeit keine entsprechenden Vorgaben gebe, so der Kämmerer. Es werde „davon ausgegangen, dass das zuständige Ministerium zur Frage des finanziellen Engagements von Kommunen in Form eigener finanziellen Hilfen entsprechende Anwendungshinweise geben wird“, drückte sich Wertz verklausuliert aus. Die Aufsichtsbehörde halte ein solches Vorgehen für denkbar, wenn die dringende Gefahr bestehe, dass bisher vorhandene kommunale Strukturen wegbrechen könnten und hierdurch ein Schaden für die Gemeinde entstünde, der letztlich erheblicher ausfallen würde als die Gewährung einer finanziellen Hilfe.
Gleichwohl seien dabei „sicherlich die beihilferechtlichen Bestimmungen zu beachten, genauso wie jene des Stärkungspaktgesetzes, sofern es sich um freiwillige Leistungen handelt. Für die am Stärkungspakt beteiligten Städte und Gemeinden rechnet Sven Wiertz mit einem Sonderhilfegesetz zur Verteilung der bislang im Stärkungspakt nicht verplanten Mittel in Höhe von rund 343 Mio. Euro landesweit und einem neuen Krediterlass mit der Option, Corona-bedingte Krediten mit Laufzeiten von bis zu 50 Jahren aufnehmen zu können; konkretere Angaben dazu lägen bislang allerdings nicht vor.
So lange die Landesregierung keine konkrete Soforthilfe angekündigt habe – und damit eine valide Entscheidungsgrundlage –regt die Verwaltung der Stadt Remscheid an, wie folgt zu verfahren: die Stadt Remscheid prüft alle weiteren Vorschläge mit finanziellen Auswirkungen und wird in der nächsten Sitzung am 28. Mai – eine strukturierte Beschlussdrucksache vorlegen;
- die Stadt Remscheid verzichtet – analog dem Vorgehen bei den Elternbeiträgen – auf die Erhebung von Sportstättennutzungsentgelten für die Dauer der pandemiebedingten Schließung der Sportstätten. Bereits gezahlte Entgelte werden erstattet;
- die Stadt Remscheid erhebt im Deutschen Röntgen-Museum und Deutsches Werkzeugmuseum für die Dauer des eingeschränkten Museumsbetriebes für alle Besucherinnen und Besucher ein ermäßigtes Eintrittsentgelt. Es beträgt für das Deutsche Röntgen-Museum drei Euro anstelle von fünf Euro und für das Deutsche Werkzeugmuseum 2,50 Euro anstelle von 3,50 Euro;
- die Stadt Remscheid stundet Zahlungsverpflichtungen in den Bereichen von Sportnutzungsentgelten und Sondernutzungen (Außengastronomie) auf Antrag, wenn sie gegenwärtig für den Zahlungspflichtigen eine unbillige Härte darstellt.
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Manfred Reiff am :