Wirksamer Kinderschutz braucht verlässliche Partner
„Kinderschutz ist in den vergangenen Monaten unter verschiedenen Aspekten zunehmend ins öffentliche Interesse gerückt. Verstärkt aufgedeckte Fälle von Kindesmissbrauch und Kinderpornographie wie z.B. in Lügde und Bergisch Gladbach und Sorgen um isolierte Kinder in schwierigen Lebenslagen, die in der aktuellen Corona-Zeit nicht ihre gewohnten Ansprechpartner*innen beispielsweise in Kindertagesstätte und Schule haben, richten auch den Fokus auf die Frage, wie denn „das Jugendamt“ aufgestellt ist.“ – So beginnt eine Mitteilungsvorlage der Verwaltung für den Schul- sowie den Jugendhilfeausschuss, in der dieser zentrale, gesetzlich verankerte Aufgabenbereich des Jugendamtes ausführlich dargestellt wird. Eine Fleißarbeit für den zuständigen Fachbereich und zugleich ein kleines Nachschlagwerk für Eltern und Fachleute. Denn: Wirksamer Kinderschutz kann nicht auf das Jugendamt und die Kinder- und Jugendhilfe insgesamt beschränkt sein“, wie die Verwaltung betont. „Verlässliche Kooperationen mit Partnern aus dem Bildungs- und Gesundheitswesen, der Daseinsvorsorge, der Polizei und der Justiz sind unabdingbar.“
Anlässlich eines besonderen und sehr komplexen Falles von Kindeswohlgefährdung in 2017, der eine breite Öffentlichkeit erfuhr und die Arbeit des Jugendamtes zeitweise in den Fokus rückte, hatte die Verwaltung entschieden, sich für solche Fälle auf allen Ebenen besser zu rüsten und ein „Krisenteam Jugendhilfe“ zu bilden. Es etablierte sich offiziell 2019 und tritt zusammen, wenn „aufgrund eines sich anbahnenden oder bereits eingetretenen gravierenden Ereignisses ein über das gewöhnliche Maß hinaus gehender hoher Koordinations- und Entscheidungsbedarf besteht“. Dieses „gravierende Ereignis“ sei mehrere dieser Indikatoren gekennzeichnet:
- Es ist dazu geeignet, öffentliches Interesse auszulösen.
- Es lässt eine strafbare Handlung zum Nachteil von Kindern vermuten. Einer strafbaren Handlung verdächtig werden dabei Personen innerhalb oder außerhalb der Stadtverwaltung Remscheid.
- Es führt zu einem gesundheitlichen Schaden am Kind.
- Es berührt ein sensibles öffentliches Thema.
- Es löst eine diffuse oder konkrete Selbstbetroffenheit der Behörde aus.
Zum Krisenteam gehören u. a. der Beigeordnete des Dezernats II (Thomas Neuhaus) sowie Fachdienst- und Abteilungsleiter (Jugend, Soziale Dienste, Psychologische Beratungsstellen). Damit ist Remscheid eines der wenigen Jugendämter, das über ein solches Gremium verfügt. „Die Arbeit des Krisenteams hat sich bereits mehrfach bewährt und wird regelmäßig qualitativ weiterentwickelt“, heißt es in der Vorlage.
Ein wesentliches Element und Motor der Qualitätsentwicklung im Kinderschutz ist die Arbeit der Fachkräfte, die den 2007 eingerichteten Qualitätszirkels (QZ) bildet. Dieser tagt mindestens vierteljährlich. Die QZ-Treffen dienen auch der regelmäßigen kollegialen Beratung anonymisiert vorgestellter Beratungsfälle. Die Anzahl der Beratungen ist in den letzten Jahren beständig gestiegen. Die meisten Beratungsanfragen an die beteiligten Träger im Pool der (zum Teil externen) Fachkräfte gingen bisher an die Psychologische Beratungsstelle mit 65 %, die Kinderschutzambulanz Bergisch Land e.V. mit 27 % und den Caritasverband mit 16 %. Von 2016 (46) bis 2019 (63) gab es eine Steigerung der Abfragen um rund 37 %.
Wert gelegt wird auf einen regelmäßige Austausch in den Netzwerken, in denen die praktische Handhabung des Kinderschutzverfahrens in Remscheid weiterentwickelt wird. Im Käthe-Kollwitz-Berufskolleg gehört das Thema „Kinderschutz“ zur Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern. Die Psychologische Beratungsstelle bietet Erzieher*innen in Kindertageseinrichtungen Fortbildungen zum Thema „Kinderschutzkonzepte“ an, ebenso Schulen; diese orientieren sich am sogenannten „blauen“ Ordner „Schule gegen sexuelle Gewalt“, herausgegeben vom Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs.
„Um ein Kind aufzuziehen, braucht es ein ganzes Dorf“, zitiert die Verwaltung ein nigerianisches Sprichwort. Ihr Fazit: Das Remscheider „Kinderschutz-Dorf“ sei ein gut funktionierendes Netzwerk, das Kindern und Jugendlichen an vielen Stellen wichtige Bezugspersonen auch außerhalb der Kleinfamilie und Eltern kompetente Ansprechpartner*innen in unterschiedlichen Bereichen anbieten könne. „Wirksamer Kinderschutz benötigt dauerhaft stabile (Netzwerk-)Strukturen, die mit ausreichenden Ressourcen ausgestattet sind!“
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