„Mottflüäten“, oder: Wenn Teiche zu verlanden drohten
Die zahlreichen Hammer- und Kottenteiche in den Bachtälern des Bergischen Landes, die sich mit ihren blanken Spiegeln und ihrem vielgestaltigen Randbewuchs so prächtig in das Landschaftsbild einfügten, waren ebenso wie die kleinen Seen in anderen Gebieten deutschen Landes - als stille oder stehende Gewässer anzusehen. Sie hatten einen vom Bach abgezweigten, durch Schütze geregelten, schwach strömenden Zufluss und einen zeitweise über die Wasserräder der Werke, denen sie als Speicherbecken dienten, gehenden Abfluss. doch dies alles konnte ihren Charakter als stehende Gewässer nicht oder nur wenig beeinflussen. Die Folge war, dass sich die mitgeführten Schwemm- und Sinkstoffe vieler Art in den Teichen absetzen konnten und eine schwarze, schlammige Modderschicht bildeten, die im Laufe langer Zeiträume bis zu einer Mächtigkeit von 50 Zentimetern und mehr anwuchs. In dem rasch fließenden Bach tritt diese Erscheinung nicht so auf, so dass sich Krebse und Forellen dort aufhalten konnten, bis die Abwässer von Waschanstalten und aus anderen Quellen dem Leben im Wasser bis in die 1980-er Jahre ein Ende machten.
Die dicke Schlammschicht verminderte die Speicherkapazität der Teiche (zum Betrieb der Wasserräder) in erheblichem Umfang, was sich besonders in regenarmen Sommerperioden nachteilig auswirkte und die in den Werken Schaffenden während der Arbeitszeiten zu langen Wartepausen zwang. Es war also durchaus im Interesse der Hammerschmiede und Schleifer, den Schlamm (die Mott) so weit wie möglich zu entfernen. Zwar lag es nahe, dies durch Abgraben und Abfahren zu tun. Dies war aber von jeher mit drei schier unlösbaren Problemen verbunden: dem Hochschaffen der weichlichen Masse aus der tieferen Teichgrube auf geeignete Transportfahrzeuge, dem Fehlen von Wegen an den Teichen und als wichtigstes Problem: wohin mit dem Dreck ? (Heute, im Jahr 2002, wird er als Sondermüll bewertet und muss dementsprechend entsorgt werden.) So kam man denn auf die inzwischen seit Jahrhunderten geübte und bewährte Methode des Abschwemmens, des "Flüätens" (kommt von Fluten), in den vorbeiziehenden Bach. Das war in verhältnismäßig kurzer Zeit durchzuführen, war billig, einfach und nur wenig störend für die Umwelt. Dafür boten sich die alljährlich wiederkehrenden Hochwasserperioden im Frühjahr und besonders im Herbst an, in denen der Bach und seine Zuflüsse zu reißenden Wildwassern anschwollen, alles mitnehmend, was ihnen zugeführt wurde.
Natürlich mussten die Tage des Flüätens mit allen anliegenden Werken im Bachgebiet von Fall zu Fall verabredet werden, damit diese ihre Teiche durch Schließen der Zulaufschütze gegen Verschlammung absichern konnten. Zum Flüöten war der Teich zunächst ganz abzulassen. Dazu war an geeigneter Stelle ein Leerlaufschütz mit Ablaufgraben zum Bach hin in den Deich eingebaut. Dieses Schütz diente zugleich als Überlauf bei vollem Teich; da hier dann das Wasser gleich einem Wasserfall in den Ablaufgraben stürzte, nannte man dieses Schütz "Affall" oder "Affallschött". Zu Beginn der Flüätarbeit wurde zunächst nahe dem Deichrand zu diesem geöffneten Schütz hin eine Rinne in den angetrockneten Schlamm gegraben und nach Öffnen der Zulaufschütze eine scharfe Strömung in diese hineingeleitet. Nachdem sich eine steile Kante nach der Morastseite hin gebildet hatte, wurden mit den Spaten große Klumpen abgestochen, die in die Strömung hineintorkelten, mitgerissen wurden und sich schon im Wasserstrudel des Wassergrabens in Wohlgefallen auflösten.
Die älteste Kopie einer Mottflöhsaktion ist wohl mehr als 100 Jahre alt, denn es waren nicht weniger als 62 Besitzer zu fragen, die je 50 Pfenning an den Aktionsleiter zu zahlen hatten. Damit die umfangreiche Arbeit schnell, möglichst in ein bis zwei Tagen erledigt werden konnte, warben die Hammerschmiede Gelegenheitskräfte an, die sich in kurzer Zeit einen schönen Batzen Geld verdienen konnten, allerdings meist in der kalten Strömung stehend... (aus: Hämmer- und Kottenforschung in Remscheid – von Gerstau bis Haddenbach –, bzw. aus: „Von Müngsten bis Gerstau“, beides herausgegeben von Günther Schmidt, Druck und Vertrieb Paul Hartgen GmbH + Co. KG, Lennep)
Kommentare
Ansicht der Kommentare: Linear | Verschachtelt