Jetzt wird's beim Sport in Remscheid empirisch
Manche Telefonanrufe dauern bei mir nur wenige Sekunden. Immer dann, wenn ein Meinungsforscher oder eine Lotterie-Gesellschaft anruft. Meine stereotype Antwort in diesen Fällen: „Nein danke, keine Zeit!“ - Ich habe mir vorgenommen, so nicht zu reagieren, sollte ich unter den 6.600 Remscheider Bürgern zwischen 10 und 75 Jahren sein, denen demnächst ein Fragebogen ins Haus flattert. Denn ich habe immer zehn Minuten Zeit, wenn`s um eine gute Sache geht. Und das ist in diesem Fall unstrittig: Prof. Dr. Horst Hübner von der Forschungsstelle „Kommunale Sportentwicklungsplanung“ der Universität Wuppertal will mit Hilfe dieser 6.600 Fragebögen im Auftrag der Stadt Remscheid alles über die sportlichen Aktivitäten der Remscheider erfahren. Und da auch die Stadt Wuppertal zeitgleich von ihm den künftigen Sportstättenbedarf ermitteln lässt – womöglich schließt sich auch noch Solingen an – können die bergischen Kommunalpolitiker Ende nächsten Jahres mit vielen Zahlen, Daten und Fakten rechnen, darunter ein Sportstättenatlas, der ihnen die „Sportstättenentwicklungsplanung“ (keine Erfindung von mir, sondern Amtsdeutsch) auf empirischer Grundlage wesentlich erleichtern dürfte. Und weil’s dabei auch um unser aller Geld geht, sind die zehn Minuten für das Ausfüllen des Fragebogens bestimmt gut angelegt.
Das betonten heute auf einer Pressekonferenz in der „Naturschule Grund“ der in Remscheid (auch) für Sport zuständige Beigeordnete Dr. Christian Henkelmann, Sportamtsleiter Bert Fiedler, Markus Dobke von städtischen Fachbereich für Sport und Freizeit, Daniela Hannemann, Geschäftsführerin des Sportbundes Remscheid, und, allen voran, Prof. Horst Hübner. Wobei er schon zufrieden wäre, wenn jeder zweite Fragebogen ausgefüllt zurückkäme. Aber vielleicht sorgen die beigelegten Freiumschläge ja für einen noch höheren Rücklauf – umso besser!
Insgesamt 38.000 Euro kostet die Stadt diese Untersuchung, genauer, die Remscheider Sportvereine. Denn sie verzichten zwischen 2005 und 2008 auf jeweils 10.000 Euro an städtischen Zuschüssen. Darauf legte Daniela Hannemann in der Pressekonferenz Wert. Und wies ferner darauf hin, dass sich der Sportbund im Herbst mit einer ergänzenden Befragung an die Vereinsvorstände wenden wird. Da wird nach den Serviceleistungen gefragt, die sich die Vereine von Sportbund und Stadtverwaltung wünschen mit dem Ziel eines besseren Managements. Die Ergebnisse dieser Befragung würden in „seine“ Untersuchung einfließen, versicherte Hübner.
Demographische Daten spielen eine große Rolle bei der Frage, für welche Sportstätten in Remscheid in absehbarer Zeit noch Bedarf besteht und für welche nicht. Prof. Hübner: „Die sportaktivsten Altersgruppen sind die zwischen 6 und 40. Und die werden um etwa zwanzig Prozent zurückgehen.“ Gleichzeitig aber sei eine Verlagerung der Sportaktivitäten vom Freien in die Hallen erkennbar, stellte Bert Fiedler fest. Es sei also nicht damit zu rechnen, dass die Stadt demnächst „freie“ Sporthallen haben werde, die man als Lagerhallen verkaufen oder vermieten könne.
Das bergische Städtedreieck verfügt zur Zeit über mehr als 200 Sport- und Gymnastikhallen, 100 Sportplätze, 300 Tennisplätze (zuviel?), 30 Bäder und 20 Leitathletik-Kampfbahnen. Und aufgrund seiner Erfahrungen mit gleichartigen Untersuchungen in zahlreichen anderen Städten in Deutschland (so etwa in Bremen, Bottrop und Herne) ist sich Prof. Hübner sicher: „Nicht alle sind gleich ausgelastet. Es gibt sicherlich auch Einrichtungen in Nachbarstädten, bei denen wir ‚Sport-Wanderströme’ feststellen werden“. Da scheint also in Sachen „Sportstättenplanung“ eine Kooperation zwischen den bergischen Großstädten nicht ausgeschlossen, die in anderen Fällen leider gescheitert ist.
Die Hälfte der 6.600 Fragebögen werden noch in dieser Woche verschickt (an 560 Bürger in Lüttringhausen, je 640 in Remscheid-Süd und Lennep sowie 800 in Alt-Remscheid – entsprechend dem Anteil an der Gesamtbevölkerung), die andere Hälfte (nach dem gleichen Schlüssel) Anfang März nächsten Jahres. Und das hat einen guten Grund: Die Fortscher der Uni Wuppertal wollen nicht nur die sportlichen Aktivitäten im Sommer erfahren, sondern auch die im Winter.
Sport- und Kulturdezernent Dr. Christian Henkelmann verspricht sich von den Ergebnissen der Untersuchung einen „kick-off“ hin zu einer sportgerechten Stadt, d.h. einem Sportangebot, das den veränderten Gewohnheiten und Bedürfnissen der Bürger Rechnung trägt, zum Beispiel, in dem es Trends berücksichtigt wie Gesundheit (Rückentraining, Herz-Kreislauf-Training, Rehabilitationssport), Ausdauer (Laufen, Walking, Nordic-Walking, Radfahren, Inline-Skating) und Fitness/Wellness (Kraft-Ausdauertraining, Konditionstraining bis hin zu „Bodyforming und –styling; letzteres von mir als „Körperkult“ übersetzt). Darüber stehen für Rat und Verwaltung der Stadt Remscheid aber auch Planungsziele, die mit dem Einsatz öffentlicher Mittel, der Angebotspalette der Vereine und dem Sportstättenbau zu tun haben. Wo muss renoviert werden, wo ist ein Neubau fällig, was kann aufgegeben werden? Auch auf diese Fragen wird die Stadt von Prof. Horst Hübner klare Antworten bekommen. Entscheiden muss dann die Politik.
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