"Offensichtliche Manipulationen bei der Briefwahl!"
„Wahlbeteiligung deutlich gestiegen, aber noch immer mau“, titelte der Waterbölles am 7. Februar. An diesem Sonntag hatten sich 2.310 in Remscheid gemeldete Migranten an der Wahl des Migrationsausschusses beteiligt. Dass es dabei nicht immer und überall vorschriftsmäßig zugegangen ist, stellte sich alsbald in einer Sitzung des Wahlausschusses heraus (der Waterbölles berichtete darüber am 11. Februar: „Erregte Szenen am Sonntag bei Wahlen in der EMA“). Nach dieser Sitzung gingen bei der Wahlleiterin, Stadtkämmerein Bärbel Schütte, zwei offizielle Wahlanfechtungen ein, die eine von Bayram Er namens der türkischen Wählergruppe „A 1“, die andere von Manuel Rodriguez Fresneda, der erhebliche Wahlbenachteiligungen der „Mediterranen Liste“ reklamierte. Die Überprüfung dieser Beschwerden war noch nicht abgeschlossen, da konstituierte sich am am 9. März der Integrationsausschuss und wählte Luigi Costanzo zum Vorsitzenden. Diese Wahl wird wiederholt werden müssen – wie die des Ingegrationsausschusses insgesamt: Zur morgigen Sitzung des Wahlprüfungsausschusses hat die Verwaltung den Ausschussmitgliedern empfohlen, die Wahl zum Integrationsausschuss vom 7. März gem. § 40 Abs. 1 Buchstabe b Kommunalwahlgesetz (KWahlG) für ungültig zu erklären und eine Wiederholungswahl anzuordnen. Da sich die festgestellten Unregelmäßigkeiten auf mehr als die Hälfte der Wahlbezirke erstreckten, sei die Wahl gem. § 42 Abs. 1 KWahlG im ganzen Wahlgebiet zu wiederholen. Fazit der Beschlussvorlage: „Auch wenn nicht alle Vorwürfe bestätigt werden können und nicht jedes Detail isoliert betrachtet als von entscheidendem Einfluss auf das Wahlergebnis und die Zuteilung der Sitze angesehen werden kann, so muss doch festgestellt werden, dass Unregelmäßigkeiten vorgekommen sind, die insgesamt betrachtet von entscheidendem Einfluss gewesen sein können. Dies gilt insbesondere für die offensichtlichen Manipulationen bei der Briefwahl und die nicht auszuräumenden Zweifel, ob Wählerinnen und Wähler im Eingangsbereich oder im näheren Umfeld der Wahllokale in unzulässiger Weise beeinflusst worden sind.“ Merke: Demokratie will gelernt sein. Nötigenfalls durch Wiederholung.
Die Wählergruppe „A1“ hatte die Wahlleiterin u. a. darauf hingewiesen, dass „einige Briefwählerinnen und Wähler in der Zeit, in der die Wahl stattgefunden hat, nicht in Deutschland anwesend“ waren. Ihre Stimmen seien "von anderen, unbevollmächtigten Personen mit gefälschter Unterschrift der Versicherung an Eides statt“ abgegeben worden. Auch hätten die Anhänger der „Remscheider Union 2010“ in fast allen Wahllokalen „massiven Einfluss auf die Wählerinnen und Wähler zu ihrem eigenen Vorteil“ ausgeübt, die Wählerinnen und Wähler sogar bis zur Wahlurne begleitet und in den Wahllokalen für die eigene Liste Werbung ausgelegt.
In einem vierseitigen Brief führte Manuel Rodriguez Fresneda gleich elf Beschwerdepunkte auf, hinterlegt mit Namen und Adressen von Zeugen. Danach seien die Wahlvorstände nicht neutral zusammengesetzt und nicht während der gesamten Wahlzeit ordnungsgemäß besetzt gewesen. Im Wahllokal Rosenhügel habe es am Nachmittag Diskussionen zwischen Wähler und Wahlhelfern in türkischer Sprache gegeben. Auch hätten sich dort zeitweilig mehrere Personen gleichzeitig in der Wahlkabine befunden. Einige Personen hätten mehrfach gewählt.
Seltsam fand Rodriguez Fresneda, dass auf die vier Listen unterschiedlich viele Briefwahlstimmen entfielen (A1 32 Stimmen, Mediterrane Liste 39, Remscheider Union 245 und DIE LINKE international 13): „Derartige Größenunterschiede sind – insbesondere, wenn die Herkunft der Wählerschaft berücksichtigt wird – höchst unwahrscheinlich!“ Auch seien die für die Mediterrane Liste abgegebenen Stimmen offensichtlich nicht alle gezählt worden. Aus dem Kreis italienischer, spanischer, portugiesischer und afrikanischer Mitbürger sind mehr als 350 Wähler zur Wahl gegangen, aber nur 304 in den Wahllokalen gezählt worden.
Zur Klärung der Fragen über die Abläufe und Vorkommnisse am Wahltag fand auf Veranlassung des Wahlamtes am 18.März eine Erörterung mit den Wahlvorsteher/innen und weiteren Vertretern/innen der fünf Urnenwahllokale statt. Der Waterbölles zitiert nachfolgend aus dem Sitzungsprotokoll:
„Die Posten des Wahlvorstehers, des Stellvertreters sowie des Schriftführers wurden mit erfahrenen deutschen Wahlhelfern besetzt. Hierbei handelt es sich nicht ausschließlich, aber hauptsächlich gleichzeitig um Verwaltungsmitarbeiter. Die weiteren Wahlhelfer waren überwiegend Ausländer bzw. Deutsche mit Migrationshintergrund. Lediglich das Briefwahllokal war ausschließlich mit Deutschen besetzt. Insgesamt haben an dieser Wahl 22 Deutsche, fünf eingebürgerte Deutsche mit türkischem Migrationshintergrund, fünf Türken, drei Italiener sowie eine Finnin als Wahlhelfer teilgenommen. Darüber hinaus standen sowohl Deutsche als auch Ausländer auf der Ersatzliste. Die Wahlhelfer wurden nach Eingang der Meldung eingesetzt. Sobald die Plätze besetzt waren, wurden die Helfer auf die Reserveliste genommen, danach abgewiesen – wobei grundsätzlich bei Deutschen auf die Landtagswahl verwiesen wurde.
Die von der Wählergruppe A 1 und Herrn Rodriguez Fresneda erhobenen Vorwürfe werden im Einzelnen erörtert.
Beeinflussung der Wähler durch Wahlhelfer: Übereinstimmend bestätigen die anwesenden Wahlvorsteher und deren Stellvertreter, dass es mit den ausländischen Wahlhelfern keinerlei Probleme gab. Niemand hatte das Gefühl, dass diese Einfluss auf Wähler genommen haben. Vielmehr lässt sich feststellen, dass insbesondere die anwesenden türkischen und türkischstämmigen Wahlhelfer aufgrund der Sprachkenntnisse äußerst hilfreich waren, da viele türkische Wähler der deutschen Sprache nicht oder nur unzureichend mächtig waren. Wie bei allen anderen Wahlen auch spricht nichts dagegen, dass Wahlhelfer einer bestimmten Liste angehören oder mit dieser sympathisieren. Vielmehr ist dies explizit gewünscht (§ 2 Abs. 4 KWahlG).
Wahlwerbung: Insbesondere im Vorraum zu den Wahllokalen in der EMA ist es immer wieder zu teilweise massiver Wahlwerbung gekommen. Dort wurden sowohl vormittags als auch nachmittags immer wieder Flyer ausgehangen. Der Vorwurf von der Liste A 1, dass neben Flyern auch Wahlplakate ausgehangen wurden, konnte von den Wahlhelfern nicht bestätigt werden. Die Wahlhelfer wurden teilweise durch die anwesenden Mitglieder der verschiedenen Listen auf die Wahlwerbung aufmerksam gemacht. Außerdem haben sie darüber hinaus selbstständig immer wieder den Vorraum der EMA kontrolliert und Wahlwerbung entfernt.
Ein Vertreter der Liste A 1 nahm besonderen Anstoß an einem Wahlhelfer im Wahllokal 10001 und warf diesem Wählerbeeinflussung vor. Im Verlauf der folgenden auf türkisch geführten Diskussion wurde die Polizei hinzugezogen. Der Wahlhelfer wurde vom Wahlvorsteher gebeten, ab sofort nur noch deutsch zu sprechen, um eine Wählerbeeinflussung – für die es im Übrigen keinerlei konkrete Hinweise gibt – von vornherein auszuschließen.
Obwohl die anwesenden Mitglieder der einzelnen Listen mehrfach von den Wahlvorstehern auf die nicht gestattete Wahlpropaganda hingewiesen wurden, wurden immer wieder Flyer ausgehangen oder ausgelegt. Darüber hinaus hatten die anwesenden Wahlhelfer übereinstimmend das Gefühl, dass die anwesende Öffentlichkeit im Vorraum der EMA versucht, Einfluss auf die Wähler zu nehmen. In einem Fall hat einer der türkischstämmigen Wahlhelfer im Wahllokal 10002 den stellvertretenden Wahlvorsteher darauf aufmerksam gemacht, dass seitens der Listenvertreter die ankommenden Wähler aufgefordert wurden, die entsprechendede Liste zu wählen. Auch wurden Wähler immer wieder bis in den jeweiligen Wahlraum begleitet, was aber im Laufe des Tages durch die Wahlvorsteher unterbunden wurde.
Vor dem Wahllokal in Lennep befanden sich ständig ca. 15 Personen gegenüber dem Wahllokal auf der anderen Straßenseite. Dies wurde vom Wahlvorsteher bemerkt, aber toleriert, da dieser Bereich schon als öffentlicher Raum und nicht mehr als nähere Umgebung des Wahllokals gewertet wurde. Nach den nunmehr vorgetragenen Einwänden ist diese Einschätzung vermutlich zu revidieren.
Stimmabgabe: Die Vorwürfe, dass teilweise mehrere Wähler gleichzeitig in der Wahlkabine waren, konnten teilweise entkräftet bzw. relativiert werden. Grundsätzlich haben gebrechliche, behinderte oder des Lesens unkundige Wähler das Recht, gemeinsam mit Hilfspersonen die Wahlkabine zu betreten. Von diesem Recht wurde in mehreren Wahllokalen seitens der Wähler Gebrauch gemacht. Ob sich im Einzelfall ein „Helfer“ dem Wähler aufgedrängt und diesen bis in die Wahlkabine begleitet und evtl. Einfluss auf die Stimmabgabe genommen hat, lässt sich seitens der Wahlhelfer weder bestätigen noch dementieren. Darüber hinaus hatten teilweise die weiblichen Wahlhelfer erhebliche Probleme damit, das gemeinsame Aufsuchen der Wahlkabine durch Familienverbände zu unterbinden, so dass im Einzelfall tatsächlich mehrere Wähler gemeinsam in der Wahlkabine waren, obwohl dies seitens der Wahlhelfer eindeutig untersagt wurde. Auch aufgrund des (zumindest schubweise) sehr großen Andrangs und der eher geringen Größe eines Wahllokals ist es geschehen, dass zwar nur ein Wähler in der Wahlkabine war, aber in unmittelbarer Nähe dazu schon weitere Wähler warteten.
Sowohl im Wahllokal in der EMA als auch in Lennep sollen Kinder und Jugendliche, die mit Listen sympathisieren, die Wähler sogar bis in die Wahlkabinen begleitet haben, um so Einfluss zu nehmen. Dies wird nicht bestätigt. Zwar seien spielende Kinder in Lennep in der Schule gesehen worden, Hinweise auf eine mögliche Wählerbeeinflussung konnten die Wahlhelfer jedoch nicht ausmachen.
In einem Wahllokal ist immer wieder einer der anwesenden Listenvertreter gemeinsam mit Wählern im Wahllokal erschienen. Nachdem dies drei oder viermal geschehen ist, hat der dortige Wahlvorsteher dies mündlich untersagt und die Verständigung der Polizei angekündigt. Aufgrund dessen gab es keine weiteren Vorfälle in diese Richtung. (…) Mehrfach sind männliche Wähler mit den Wahlbenachrichtigungskarten ihrer Familie im Wahllokal erschienen, um für alle zu wählen. Dies ist untersagt worden.
Es ist selbstverständlich auch vorgekommen, dass zwei ausländische Wahlhelfer kurzzeitig alleine im Wahlraum waren. Grund hierfür war häufig, dass Wahlwerbung durch den Wahlvorsteher entfernt werden musste, Wählern musste der Weg in andere Wahllokale gezeigt werden und natürlich musste auch menschlichen Bedürfnissen nachgegangen werden. Es ist zwar gesetzlich vorgeschrieben, dass während der Wahlhandlung drei Mitglieder des Wahlvorstands anwesend sein müssen, … doch bei Anwesenheit im Vorraum oder in Nebenräumen wird die Präsenzpflicht ebenfalls erfüllt.
Dass Wähler fälschlicherweise mehrfach gewählt haben sollen, wird seitens der Wahlhelfer weitestgehend ausgeschlossen, aber nicht für unmöglich gehalten, da immer wieder Fehler z.B. aufgrund von Namensgleichheit geschehen können. Bewusst wurde eine Mehrfachwahl seitens der Wahlhelfer jedenfalls nicht hingenommen. In Lüttringhausen hat tatsächlich eine Wählerin versucht, zweimal (morgens und nachmittags) ihre Stimme abzugeben. Als dies jedoch auffiel, verließ sie das Wahllokal unverrichteter Dinge. In Rosenhügel erschien ein Wähler, der weder im Wählerverzeichnis zu finden war noch eine Wahlbenachrichtigungskarte hatte. Dieser wurde nicht zur Wahl zugelassen.
Stimmauszählung von 305 Stimmen für die Mediterrane Liste: Weder die Einsichtnahme in die Wählerverzeichnisse, noch die Befragung der Wahlvorsteher lassen Anhaltspunkte für fehlerhafte Auszählungen erkennen, so dass eine Öffnung der versiegelten Umschläge und eine erneute Auszählung nicht gerechtfertigt wäre.
Briefwahl: Insgesamt wurden 343 Wahlscheine beantragt und ausgestellt, darunter 39 Wahlscheinanträge, die über das Internet gestellt wurden. 32 Anträgen wurde stattgegeben. Bis auf zwei Fälle wurden alle Wahlscheine an die Wohnanschrift der Antragsteller geschickt. Die übrigen 304 Wahlscheinanträge gingen auf dem Postwege ein bzw. wurden persönlich im Briefwahlbüro gestellt. Von diesen 304 Wahlscheinanträgen wurden in 186 Fällen Vollmacht erteilt, dass der Wahlschein an einen Bevollmächtigten ausgegeben wird. Diese 186 Wahlscheinanträge wurden intensiv geprüft. Aufgrund von Verdachtsmomente, dass Unterschriften nicht übereinstimmen, ordnete die Wahlleiterin nach § 61 Abs. 1 Kommunalwahlordnung die Öffnung … der versiegelten Wahlscheine an. Nun wurden die Unterschriften auf den Wahlscheinen, die an Bevollmächtigte ausgegeben worden waren, untersucht. Auf dem Wahlschein hat die Wählerin oder der Wähler gegenüber dem Wahlleiter an Eides statt zu versichern, dass der Stimmzettel persönlich gekennzeichnet oder von einer benannten Hilfsperson gemäß dem erklärten Willen der Wählerin oder des Wählers gekennzeichnet wurde (§ 26 Abs. 2 KWahlG). In 42 Fällen geben die Unterschriften auf den Wahlscheinen Anlass zu erheblichen Bedenken, dass die Unterschrift auf dem Wahlschein nicht von der Wählerin oder dem Wähler persönlich geleistet wurde. In 28 der 42 Fälle geben gleichzeitig die Unterschriften auf den Wahlscheinanträgen Anlass zu erheblichen Bedenken.“
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*** „Wird festgestellt, dass bei der Vorbereitung der Wahl oder bei der Wahlhandlung Unregelmäßigkeiten vorgekommen sind, die im jeweils vorliegenden Einzelfall auf das Wahlergebnis im Wahlbezirk oder auf die Zuteilung der Sitze aus der Reserveliste von entscheidendem Einfluss gewesen sein können, so ist die Wahl in dem aus § 42 Abs. 1 ersichtlichen Umfang für ungültig zu erklären und dementsprechend eine Wiederholungswahl anzuordnen (§ 42).“
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Cengiz Özdemir, Remscheider Union 2010 am :
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Peter Matzner am :
Die Linke, Remscheid am :
Jutta Velte am :
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