Rechtsabbiegespuren und neue Ampeln für "grüne Welle"

Unternehmer sind bekanntlich eher konservativ. Und so waren denn die 30 (von 300 eingeladenen) Mitglieder der bergischen Industrie- und Handelskammer, die gestern Nachmittag im großen Saal des Remscheider Arbeitgeber-Verbandes an der Elberfelder Straße mit Stadtplaner Hans Gerd Sonnenschein über eine möglichst immissionsfreie Freiheitstraße diskutierten, bis auf eine Ausnahme einer Meinung: Alles möge doch so bleiben, wie es ist. Genau das aber geht nicht, weil die Europäische Union für Immissionen – in diesem Fall Autoabgase und Verkehrslärm – Grenzwerte festgelegt hat, an die jede Stadt in Deutschland gebunden ist. Werden diese Werte überschritten, kann die Kommunalaufsicht der Bezirksregierung die Stadt zum Handeln zwingen, wie der Leiter des städtischen Zentraldienstes Stadtentwicklung und Wirtschaft erläuterte. „Und da wollten wir dann doch lieber das Heft des Handels in der Hand behalten!“
Ein Ergebnis war der Lärmaktionsplan der Stadt. Er lag vom 21. Juni bis 17. Juli vergangenen Jahres im Rathaus offen; jeder interessierte Bürger hatte damals die Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen. Das galt auch für Institutionen wie die IHK. Sie sprach sich damals gegen eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h auf der Freiheitstraße aus. Inzwischen stehen dort die 50 km/h nicht mehr zur Disposition. Wohl aber eine der beiden Fahrspuren in jede Richtung der B229, der „wichtigsten innerstädtischen Verkehrsader Remscheid“ (so IHK-Hauptgeschäftsführer Michael Wenge einleitend). IHK-Vizepräsident Heinz Helmut Kempkes erhob gegen den geplanten Rückbau gestern ebenso Bedenken wie Karl Josef Dudenhausen von der Spedition Flesche: „Zeit ist Geld. Wir sind mit unseren Lkw auf einen zügigen Verkehr angewiesen!“ Die Freiheitstraße sei gegenwärtig – vierspurig – schon stark frequentiert, ergänzte Wenge. „Wie soll der Verkehr denn noch laufen, wenn zwei Spuren wegfallen!?“
Sonnenschein verwies auf die „Planungswerkstatt Stachelhausen“. In dieser hatten sich 2009 vier Teams von Verkehrs- und Städteplanern um den von der Bundesstraße 229 durchschnittenen und stark belasteten Stadtteil Stachelhausen Gedanken gemacht. Wegen der Verkehrsprobleme (Feinstaub- und Lärmemission auf der Freiheitstraße), aber auch wegen der hohen Wohnungsleerstände im „Quartier“ südlich davon. Von einem Rückbau der Freiheitstraße auf zwei Spuren gingen damals alle Planer aus. Einige hielten das für möglich, andere nicht, wie Stadtplaner Sonnenschein gestern einräumte. Er sei vor drei Jahren auch noch skeptisch gewesen, heute aber nicht mehr: „Je flüssiger der Verkehr fließt, desto weniger Immissionen gibt es. Und darum geht es uns, nicht in erster Linie ums Bäumepflanzen!“ Derzeit werde an der Freizeitstraße der EU-Grenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) von 40 Microgramm pro Kubikmeter Luft um 20 Prozent überschritten. Sonnenschein: „Wir müssen handeln!“ Und wenn dadurch dann die Wohnqualität an der Freiheitstraße stiege, umso besser! Derzeit leben dort noch 1.321 Bürger. Die Zahl der Wohnungen liegt nach Angaben des Stadtplaners zwischen 400 und 450. Doch viele davon sind mittlerweile unbewohnt. „Abreißen!“, forderte gestern ein Diskussionsteilnehmer, nachdem Sonnenschein die Frage, warum die NO2-Grenzwerte denn an der Schüttendelle nicht überschritten werden, mit der dortigen „lichtere Bebauung“ (freistehende Häuser statt Wohnblocks) beantwortet hatte. Die „durchlüfte“ eine Straßenflucht besser. „Wenn das so einfach wäre!“, wies Sonnenschein die Abriss-Forderung zurück. „Welcher Hauseigentümer lässt schon gerne abreißen?“ Im Prinzip aber sei sie richtig und auch schon während der Planungswerkstatt erhoben worden.
Wie also soll der Verkehr auf der Freiheitstraße künftig zügiger fließen, wenn in jeder Fahrtrichtung nur noch eine Spur zur Verfügung steht? Das war gestern die Kernfrage. Der Stadtplaner beantwortete sie so:
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Die Ampelanlagen zwischen Amtsgericht und Bahnhof sollen nicht nur reduziert, sondern auch komplett erneuert werden. Das ermöglicht dann - endlich! – eine „grüne Welle“.
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Neu angelegt werden sollen Rechtsabbiegespuren (für die war bei zwei Spuren kein Platz). Sonnenschein: Das wird den Verkehr auf der Geradeausspur schneller machen – und leiser!“
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Eine weitere Maßnahme gegen den Verkehrslärm: spezieller „Flüsterasphalt“, teurer als herkömmlicher. Doch für derartigen „städtebaulichen Mehrwert“ gibt es Zuschüsse des Landes. Und die will die Stadt im Rahmen des „Stadtumbaus West“ beantragen.
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Der angenehme Nebeneffekt eines Rückbaus: Es wird Straßenfläche frei für Parkplätze. Das wird Hausbesitzer, Mieter und anliegenden Betriebe freuen. Und es bleibt Platz übrig für Bäume und Sträucher – eine optische Verbesserung des Wohnumfeldes. Denn derzeit sei die Straße „ja wohl kein ideales Eingangstor für Remscheid“, betonte Sonnenschein.
Ob der Stadtplaner die Unternehmer überzeugen konnte? Eher nicht. Aber eine Ausnahme gab es. Michael Grote hat sein Versicherungsbüro in der Mitte der Freiheitstraße und befährt sie mehrmals am Tag in beide Richtungen, wie er sagte. Er zeigte sich überzeugt: „Wenn die grüne Welle kommt, werden wir keine Probleme mehr haben. Schon die derzeitige Baustellen mit ihren zwei statt vier Spuren beweist: Es läuft trotz der besch… Ampelschaltung gar nicht so schlecht!“
Waterbölles-Kurzkommentar: Kennen Sie das auch? Fahrt Richtung Bahnhof. Vor Ihnen biegt ein Fahrzeug nach rechts in die Südstraße ein, muss natürlich bremsen. Automatisch bildet sich ein kleiner Rückstau. Das Gleiche passiert in der Gegenrichtung, wenn ein Wagen nach rechts in die Blumenstraße abbiegt. Bremsen und dann wieder Gas geben. Das sorgt für Lärm und höhere Abgase. Rechtsabbiegespuren würden beides verhindern. Und wenn dann noch neue Ampelanlagen hinzu kommen, die so geschaltet werden können, dass sich eine ‚grüne Welle’ ergibt – dann nicht wie los mit dem Rückbau auf zwei Spuren! Ich fahre übrigens ebenfalls ziemlich entspannt und staufrei durch die gegenwärtigen Baustellen auf der Freiheitstraße.
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Klaus Kowakowski am :
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Klaus Kowakowski am :
Kristina Schulz am :
Henner Blecher, Kreisvorsitzender der CDU-Mittelstandsvereinigung am :