Fast 300 Bürger wollten mehr über das geplante DOC wissen
„In einer Kirche darf nicht gelogen und sollte auch nicht die Unwahrheit gesagt werden“, nannte Klaus Kreuzer, Vorsitzender des Verkehrs- und Fördervereins Lennep, „die einzige Spielregel an diesem Abend“, als er gestern rund 300 Bürgerinnen und Bürgern im Minoritensaal der „Klosterkirche“ die Diskutanten auf dem Podium vorstellte: Stadtplaner Hans Gerd Sonnenschein, Bezirksbürgermeister Dr. Heinz Dieter Rohrweck (CDU), Henning Balzer, Development-Director von McArthurGlen Deutschland, Marc Bauwens, Chef des Designer Outlet Centers (DOC) im niederländischen Roermond, Dr. Peter Aachten, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes NRW, Peter Maar, Vorsitzender des Heimatbundes Lüttringhausen, und Prof. Dr. Felix Huber von der Universität Wuppertal (Lehrstuhl für Bauingenieurswesen, umweltverträgliche Infrastrukturplanung und Stadtbauwesen), im Bild unten von li. n. re.. Auf kompetente Fragen gaben sie kompetente Antworten. Dass auch so manche Absichtserklärung darunter war, lag an dem frühen Stadium, in dem sich der Plan noch befindet, neben der Lenneper Altstadt auf städtischem Gelände (Stadion, Schützen- und Jahnplatz mit insgesamt mehr als 72.000 m²) ein DOC mit 120 bis 130 Shops auf einer Verkaufsfläche von 20.000 m² sowie eine mehrgeschossige Parkpalette mit rund 2.500 Stellplätzen zu bauen. Voraussichtliche Baukosten, so Balzer: „Mehr als beim neuen DOC in Neumünster bei Hamburg. Dort waren es 90 Millionen!“
In acht Ländern betreibt McArthurGlen derzeit insgesamt 21 Outlet-Center mit einer Verkaufsfläche von mehr als 600.000 m². Das Prinzip ist überall nahezu gleich: Vorjahreskollektionen, Musterkollektionen und Waren zweiter Wahl – „Designer- und Livestylemarken“ - werden mit mindestens 30 Prozent Nachlass angeboten, ferner Sportartikel, Haushaltswaren, Wohnaccessoires und Schmuck. Sechs Prozent der Verkaufsfläche soll in Lennep für Gastronomie reserviert bleiben. Der Investor geht von einem Einzugsgebiet aus, in dem mehr als 21 Millionen Menschen leben: „Radius 90 Minuten Fahrtzeit bis zum DOC Lennep!“ Damit erhalte Remscheid „eine Perspektive als attraktiver Wirtschaftsstandort“ und 800 neue Arbeitsplätze, zwei Drittel davon in Voll- oder Teilzeit, ein Drittel für Aushilfskräfte. Das sei im Einzelhandel durchaus üblich (Dr. Peter Aachten widersprach da nicht).
MacArthurGlen verstehe sich als Partner der Gemeinden, in denen er ein DOC errichte. Das habe sich in Roermond bewährt, und das werde auch in Remscheid so sein, betonte der Development-Director. Auch hier werde es im neuen DOC eine „Touristeninformation“ geben, die auf lohnende Ausflugziele in der Umgebung hinweise, aber auch auf die Remscheider Innenstadt. Balzer: „Wir werden nicht nur das DOC vermarkten, sondern auch die Stadt und die Region!“ In Roermond sei es so gelungen, immerhin 42 Prozent der DOC-Besucher auch in die Innenstadt von Roermond zu locken, ergänzte Marc Bauwens. Ein Vergleich, der für die Lenneper Altstadt künftig zutreffen mag, wohl kaum aber für die weiter entfernte Innenstadt von Remscheid?! Balzer gab sich da optimistisch und verwies auf Neumünster, wo die Entfernung zwischen DOC und City ähnlich sei. Für Erfahrungswerte von dort ist es allerdings noch zu früh.
„Wenn man es gut macht, kann ein DOC, für den heimischen Einzelhandel im Grunde ein Konkurrent, durchaus auch Chancen eröffnen“, stellte Dr. Peter Aachten fest. Der Standort müsse stimmen; das sei in Lennep im Gegensatz zur „Blume“ durchaus der Fall. Aber in der Gesamtdimensierung müsse ein DOC auch für die Region verträglich sein. Er rechne für die Lenneper Altstadt mit „positiven Efffekten“ (Zustimmung von Marc Bauwens), in der weiteren Umgebung aber eher mit „Abschöpfungen“. Und dazu zählte er auch die Remscheider Innenstadt (eine Sorge, die Ralf Wieber, der Geschäftsführer der ISG Alleestraße e.V., teilte).
Das DOC-Projekt für Lennep sei mittlerweile in Remscheid bereits „das vierte in Planung“, erinnerte sich Klaus Kreutzer. Oberbürgermeister Fred Schulz habe sich für ein DOC am Hauptbahnhof Remscheid stark gemacht, Baudezernent Helmut Kennepohl für eines oberhalb des Diepmannsbachtals, Oberbürgermeisterin Beate Wilding und Stadtplaner Hans Gerd Sonnenschein zuerst für die „Blume“ und – nach dem Veto der Regierungspräsidentin – für den Standort Lennep. Wie das Lenneper DOC denn nun konkret aussehen soll? Da musste Henning Balzer die neugierigen Zuhörerinnen und Zuhörer vertrösten. Erst in etwa sechs bis acht Wochen könne er einen ersten Entwurf der Architekten präsentieren. Gestern nur so viel: Die Gestaltung werde sich anlehnen an das „Stadtzentrum einer bergischen Kleinstadt“. Balzer nannte das den „Villagestil“.
Verkehrstechnisch sei das vorgesehene Gelände ideal, da von außen erschlossen (Ring), und auch aus städtebaulicher Sicht sei es weitaus besser geeignet als die „Blume“, stellte Prof. Dr. Felix fest. Aber: Das benachbarte „Kleinod Lenneper Altstadt ist sehr empfindsam. Da bedarf es schon hervorragender Stadtplaner, damit die Bewohner dort nicht verdrängt werden!“ Und auch die Verkehrsströme müssten sehr genau geplant werden. Jährlich 2,5 Millionen DOC-Besucher bedeuteten schließlich 7.000 Besucher am Tag oder 700 in der Stunde – eine Durchschnittszahl, die an Samstagen noch übertroffen werde. Dazu Henning Baltzer: „Wir sind uns der großen Verantwortung an diesem Standort bewusst. Im Laufe des Planverfahrens werden wir mit den Bürgerinnen und Bürgern reden und ihre Interessen bestmöglich berücksichtigen!“ Vorstellbar seien Werkstattgespräche, ergänzte Sonnenschein. Huber begrüßte das: „Nicht, dass fertige Konzepte auf den Tisch gelegt werden. Die dann in einer ‚Abwehrschlacht‘ gegen die Bürger verteidigt werden!“
Gegen den Verkauf des Schützenplatzes für einen Discounter hatten die Lenneper Vereine Unterschriften für ein Bürgerbegehren gesammelt. Dem DOC-Plan stehen sie inzwischen durchweg positiv gegenüber. Auch Peter Maar vom Heimatbund Lüttringhausen. „Aber die Unterschriften werden wir erst zurückgeben, wenn für das DOC ein rechtskräftiger Bebauungsplan erstellt ist“, betonte er gestern. Man werde das Projekt aufmerksam und gegebenenfalls auch kritisch begleiten. „Das erfordert viel Sachkunde“, so Maar. „Der Bürger sollte nicht alles den Planern und der Politik überlassen!“ Stadtplaner Sonnenschein stimmte zu und versprach, wie schon am vergangenen Donnerstag im Forum Hackenberg bei der Informationsveranstaltung der SPD, „die Bürger mitzunehmen“. Für Klaus Kreutzer ein willkommenes Stichwort. „Sie gehen doch Ende dieses Monats in den Ruhestand?!“ – Beifall aus dem Saal. – Kreutzer daraufhin: „Ich verstehe den Applaus nicht als Häme, sondern als Zeichen, dass man Ihnen den wohlverdienten Ruhestand gönnt!“ Wie es denn nach der jüngsten Stellenanzeige in der ZEIT mit einem Nachfolger aussehe? Das Wort „Beratervertrag“ fiel nicht, so dass Sonnenschein allgemein bleiben konnte: „Das DOC wird sich auch weiterentwickeln, wenn ich in Pension gegangen bin!“
Leise Lachen wurde hörbar, als Sonnenschein bemerkte, vom Erlös des Verkaufs der städtischen Grundstücke an den DOC-Investor und der nach der Anlage neuer Sportstätten solle nach Möglichkeit noch etwas zur Sanierung der Stadtfinanzen übrig bleiben. „Man muss sich überhaupt fragen, was das Ganze die Stadt Remscheid kosten wird“, knüpfte Peter Maar an. „Die Erschließungskosten solle auf jeden Fall der Investor tragen!“ Dazu finde sich im Städtebaulichen Vorvertrag aber nur eine „schwammige Erklärung“.
Das konnte allerdings Bezirksbürgermeister Dr. Heinz Dieter Rohrweck nicht hindern, dem DOC entgegenzufiebern. „Ich habe den Spaten im Keller schon gewienert!“ Und wenn sich dann die Erfolgsgeschichte des DOC Roermond wiederhole, wo nach Angaben von Bauwens 85 Prozent der Besucher von außerhalb der Region kommen… Aber bei aller Euphorie bleibt für Rohrweck klar: „Das Original ist immer besser als die Kopie!“ Vielleicht werden ja tatsächlich eines Tages in Lennep Altstadt und DOC voneinander profitieren können – ohne dass die Einzelhändler in Remscheid darunter zu leiden haben.
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