Zwischen Hochglanzbroschüre und tristen Symbolbildern
Remscheid kann wirklich fotogen sein. Das Hochglanz-Magazin „Der Wirtschaftsstandort“ auf Deutsch und Englisch, das den Ratsmitgliedern in der letzten Ratssitzung dieses Jahres auf den Tisch gelegt wurde, beweist es. Und Oberbürgermeisterin Beate Wilding ist darin mit einem Grußwort vertreten, das auf die reizvolle Lage der Stadt eingeht. Es beginnt mit „Remscheid, die ‚Seestadt auf dem Berge’ (der Begriff, ins Englische übersetzt mit „seaside town up the hill“, wird leider nirgendwo näher erklärt), die ‚Werkzeugstadt’, ist eine besondere Stadt“ und endet mit „Remscheid, die grüne Industriestadt Nr. 1 in Nordrhein-Westfalen“. Herausgeber des 68 Seiten umfassenden Heftes ist die Neomedia Verlags GmbH in Reken. Sie ist spezialisiert auf Werbebroschüren und Internetpräsentationen von Kommunen, die an der Ansiedlung neuer Industrie- und Gewerbebetriebe interessiert sind. Zitat: „Bundesweit realisieren wir gemeinsam mit Kommunen, Landkreisen, Wirtschaftsregionen und Privatunternehmen hochwertige Standort- und Wirtschaftsmagazine. Strategisch ausgerichtet, zielführend kommuniziert und hochwertig präsentiert, begleiten wir unsere Partner im Standortmarketing nach innen und außen.“ Bergisch Gladbach, der Kreis Coesfeld, der Landkreis Ravensburg und die Städte Hilden, Schwäbisch Hall, Kerpen, Heilbronn und Borken gehören zu ihren Kunden. Und seit jüngstem nun auch die Stadt Remscheid.
„In diesem Magazin präsentieren sich der Wirtschaftsstandort Remscheid und dessen Unternehmen und Institutionen“, steht auf der Seite mit der Inhaltsangabe. Ein hoher Anspruch, dem eigentlich kein Magazin dieser Art gerecht werden kann. Denn wo gelingt es schon, sämtliche Unternehmen und Institutionen einer Stadt zu einer Anzeige zu bewegen. Nirgends. Aber 23 Inserenten, darunter neben namhaften Firmen auch vier Gesellschaften, an denen die Stadt Remscheid beteiligt ist (ewr, H2O, GEWAG und Sparkasse) füllen ganze 27,5 Seiten und garantieren auf diese Weise, dass der Herausgeber „auf seine Kosten kommt“. Im Impressum bedankt er sich denn auch „recht herzlich bei der Geschäftswelt aus der Region für die freundliche und kooperative Zusammenarbeit“. Sven Wiertz, Leiter der Büros der Überbürgermeisterin, auf Anfrage: „Das Magazin wurde ausschließlich über die darin enthaltene Werbung finanziert. Die Stadt Remscheid hat hierfür keine eigenen finanziellen Mittel aufgewandt.“
Für die Texte bediente sich der Verlag einer Gelsenkirchener Firma, Fotos steuerte u.a. Karin Schellenberg bei, die städtische Wirtschaftsförderin. Ihr dürfte vor Drucklegung bekannt gewesen sein, dass das Magazin dem nach wie vor ungewissen, wenn nicht gar endgültig gescheiterten „Schaufenster der Wirtschaft“ zwei Seiten widmet. Zitat: „An exponierter Lage mit hoher Besucherfrequenz verwirklicht die Stadt Remscheid in Kooperation mit Unternehmen aus Remscheid und der Region ein Projekt, das bundesweit seinesgleichen sucht…“
Papier ist bekanntlich geduldig. Von NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers ist in dem neuen Magazin zu lesen, Remscheid sei „einer der führenden Produktionsstandorte in Nordrhein-Westfalen“. Im Folgenden werden dem Wirtschaftsstandort Remscheid und seiner Geschichte 13 Seiten gewidmet. Weitere Themenschwerpunkte: Einkaufen in Remscheid, „Lebendige Kulturstadt“, „Sportliches Remscheid“, „Freizeit im Bergischen“ und „Wohnen in Remscheid“. Insgesamt optisch ansprechend und alles in allem lesenswert.
Als „attraktive Gewerbeflächen in reizvoller Umgebung“ werden das Plangebiet „Blume“ (9,7 Hektar) und das Brachgelände des ehemaligen Rangierbahnhofs in Lennep (vier Hektar) vorgestellt. „Bereits mit den Gewerbegebieten Jägerwald und Bergisch-Born ist es gelungen, namhafte, international agierende Unternehmen in der Stadt anzusiedeln“, heißt es vorweg. Richtiger wäre „…in der Stadt zu halten“ gewesen. Zum Beispiel bei Elotherm. Die Firma wechselte vom Hasten nach Bergisch Born.
Das Gewerbegebiet Hasten bleibt in der Hochglanz-Broschüre unerwähnt. Weil es dort nicht mehr allzu viel zu vermarkten gibt? Gewiß auch, weil es von dort keine Bilder von „attraktiven Gewerbeflächen in reizvoller Umgebung“ gibt. Die Hammesberger Straße gehört nicht zu den Orten in Remscheid, die zum Verweilen einladen. Und die ehemalige, marode Pförtnerloge von Elotherm ist lediglich noch gut für negative Symbolbilder.
Auch für das Richard-Lindenberg-Denkmal wünschen sich Hastener Heimatfreunde inzwischen gewiss einen ansehlicheren Standort. Wie man es auch fotografiert – der Hintergrund ist trist. Schon lange heißt es, die drei Gebäude an der Hammesberger Straße nahe dem Denkmal würden „demnächst“ abgerissen. Vielleicht zusammen mit der Pförtnerloge?
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